TV-Spital-Romanze: Romeo und Julia in der DDR

Liebe in Zeiten der Bespitzelung: Der Film "Masserberg" erzählt eine Romeo-und-Julia-Geschichte im DDR- und Krankenhaus-Alltag. (20.15 Uhr, ARD).

Zonen-Romeo (Pasquale Aleardi) und -Julia (Anna Fischer) im Glück: die große Liebe. Bild: ndr/volker roloff

Liebe, Leidenschaft, Verrat und Tod: Den Romeo gibt in diesem Drama Carlo vom Klan der staatskonformen Ärzteschaft. Dr. Carlo Sanchez, um genau zu sein, der als kubanischer Augenarzt in einer Klinik in Masserberg, Thüringen, zu Zeiten der DDR sein Unwesen treibt. Die Julia wiederum heißt hier Mel und stammt aus den Reihen der widerständlerischen Krankenhauspatienten. Die 19-jährige Melanie Trauber hat ein schweres Augenleiden, und als sie ihren "Dottore" zum ersten Mal verschwommen wahrnimmt, ist es Liebe auf den ersten Blick. Der Rest läuft wie gehabt: Man verliebt sich, liebt sich, wird verraten, und alles endet in einer mehr oder minder schweren Katastrophe. Ein bisschen Tragik, ein bisschen Tod, oder wie es der böse Arztkollege treffend formuliert: "Die Wahrheit ist grausam."

Nun ist "Masserberg" natürlich nur bedingt an den ewigen Liebesklassiker aus England angelehnt, es geht um die Liebe in den Zeiten der Bespitzelung und Unterdrückung durch das sozialistische System. Dass die Geschichte aus den 80ern der antikapitalistischen Republik Shakespeare adaptiert, sieht der Zuschauer dennoch früh: Das Buch "Romeo und Julia" wird im Prolog von der Kamera eingefangen. Als schließlich Dr. Sanchez seine Melanie im Wald Shakespeare zitierend vorfindet, da ward es um ihn geschehen - und der Hinweis endgültig angekommen.

Da es sich aber hierbei um eine moderne Interpretation handeln soll - denn auch hierauf wird durch eine moderne Interpretation des Goethe'schen "Erlkönig" als kleine Nebenhandlung zärtlich hingewiesen -, darf der Romeo auch etwas zeitgemäßer rüberkommen, schließlich ist er ja Latino. Carlo hat nämlich schon eine Frau, die eine Fehlgeburt erleidet, während unser Gegenwarts-Romeo seine schöne und vor allem weniger systemkonforme neue Liebe schwängert. Auch die Julia darf ein bisschen zeitgemäßer agieren und mit einer guten Freundin knutschen, statt die prüde Romantikerin mimen zu müssen.

"Masserberg" ist natürlich nur bedingt so lapidar und banal wie hier beschrieben. Regisseur Martin Enlen hat sich mit der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Else Buschheuer eines ernsten Themas angenommen, es filmisch qualitativ hochwertig umgesetzt und durch Schnittmuster und Bildgestaltung mit eigener Handschrift versehen. Die Schauspieler sind gut gewählt und verkörpern glaubwürdig ihre Rollen, allen voran Anna Fischer als unkonventionelle Melanie Trauber zwischen Laszivität und Fürsorglichkeit. Das System der gegenseitigen Bespitzelung und Denunziation wird in seiner Abart und Menschenfeindlichkeit skizziert. Die Freundschaft zwischen Mel und ihren Seniorenzimmergenossinnen wird liebevoll erzählt, und die Tragödie um die unglückliche Liebesgeschichte wird eindringlich dargestellt, auch wenn die mit Rockmusik unterlegte Sexszene im kühlen Nass der Krankenhaustoilette vor Kitsch triefend aus dem Rahmen fällt.

In seiner Gesamtheit kratzt der Film dennoch zu sachte an zu vielen Oberflächen: zu viel "Romeo und Julia" - und zu wenig "Das Leben der Anderen".

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.