XXXX, VERONICA FERRES, „BILD“, MENOWIN FRÖHLICH, „ZEIT“
: Crossmediale Dauererektion

Hallo, taz-Medienredaktion,

ei, ei, ei – ich möchte bitte gar nichts zu XXXX sagen müssen. Nein, ich will diesen Quatsch nicht mitmachen – erste Meldung in der 20-Uhr-„Tagesschau“, Sondersendung nach dem „Tatort“ und auf NDR 2 heißt es im „Kurier am Mittag“, in ein paar Jahren würde man sich fragen: „Wo warst du, als XXXX den Eurovision Song Contest gewonnen hat?“ – Ja, beim NDR herrscht Dauererektion.

Die anderen Medien spielen sich auf wie einst die Hausfrauen beim Winterschlussverkauf und – meine Lieblingsthese – gehen dem Rachefeldzug der Homos auf den Leim. Dieser Grand-Prix-Faschismus ist die Rache der Schwulen für ihre systematische Ausgrenzung vom Fußball. Hatte es in letzter Zeit viel Berichterstattung zum Thema gegeben, haben die Funktionäre es immer wieder geschafft, alle so rechtzeitig mundtot zu machen, dass sich kein Profi outet und es dabei bleibt – Fußball und schwul, das geht so wenig wie Mann und keine Eier. Egal, ob die halbe Nation davon ausgeht, dass Löw schwul ist. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, hält man alle in Schach. Und wir können es nun ausbaden, mit diesem völlig aus den Bahnen der Relation gelaufenen Trash-Wettbewerb, gegen den eine der größten Umweltkatastrophen aller Zeiten zur Randnotiz verkommt.

Scheiße, was bin ich moralisch! Das passiert mir ja ab und zu, hier unten in meinem Gefechtsgraben, wenn ich hier so allein hocke, weil die anderen alle tanzen gegangen sind. Hat man ja gesehen, bei der Sondersendung „XXXX“ da hopsten die Klügsten von uns durchs Bild.

Nun denn, ich will mich den schönen Dingen des Lebens zuwenden, dahin schauen, wo es aufwärtsgeht, und kann eine neue Filmrolle für Veronica Ferres vermelden: Sie wird Natascha Kampusch spielen. Allerdings, so wissen die gut unterrichteten Kreise, erhöhe das die Produktionskosten immens – man muss das Verlies in viereinhalbfacher Größe nachbauen –, dass sich an der Besetzung doch noch etwas ändern könnte. Ich gebe zu, das war jetzt ausgedacht. Ich habe echt schlechte Laune – das Wetter und PMS, Sie verstehen – und kann mir das Leben nur mittels schlechter Witze erträglich machen.

Leider kein Witz ist die Tatsache, dass die Bild die Berichterstattung über Presserechtsfälle demnächst Lesern überlassen will und dafür Interessenten sucht. Der gesunde Stammtischverstand reicht aus, um sich zu qualifizieren. Da im Gericht weder Ton- noch Bildaufnahmen zulässig sind, werden Mund- und Fußmaler bevorzugt. Auch andere, denen Elementares fehlt, eine Ausbildung etwa, sind gefragt. Juristische Kenntnisse sind nicht erforderlich, es reicht, zeitlich flexibel zu sein. Also Schüler zu sein. Hausfrau. In Rente. Oder als Freigänger des städtischen Gefängnisses ohne soziales Netz viel Zeit totschlagen zu müssen. Was denken die Bild-Leute sich? Dass die Boulevard-Hasser jetzt zahm werden, damit sie nicht erleben müssen, dass Menowin Fröhlich über sie „schreibt“?

Mehr Einsicht, was die Bedeutung des Journalismus anbelangt, zeigt Giovanni di Lorenzo. Der Chefredakteur der Zeit hat sich bereit erklärt, den Rahmenvertrag für freie Journalisten noch einmal zu überarbeiten. Die Freischreiber, meine unerschrockene Kampfestruppe, hatten gegen den zunächst vorgelegten Vertrag protestiert.

Wir sehen, Einsatz lohnt sich! Und die Verleger kapieren hoffentlich: Wenn man uns wie die letzten Idioten behandelt, greift das schöne Ton-Steine-Scherben-Zitat „Wir haben nichts zu verlieren außer unserer Angst“. Kampfesbereit gebe ich zurück nach Berlin!Hinweis: DIE KRIEGSREPORTERIN SILKE BURMESTER berichtet jeden Mittwoch von der MEDIENFRONT Feldpost? Mail an kriegsreporterin@taz.de