Inspektor mit Apostroph

KRIMI Schwedischer Krimi, deutsche Schauspieler, in Norwegen gedreht – und alle leiden an Apostrophitis: „Håkan Nesser’s Inspektor Barbarotti – Mensch ohne Hund“ (20.15 Uhr, ARD)

Dazu ein bisschen Mord und Totschlag, familiäre Abgründe, Backfischliebe und ein Bösewicht

VON JENS MÜLLER

’s ist ein Kreuz mit der Apostrophitis. Hat für die Liebhaber des schwedischen Krimis bisher „Mankells Wallander“ die Welt in Ordnung gebracht, heißt es bei ARD und Degeto nun: „Håkan Nesser’s Inspektor Barbarotti“.

Warum bloß hat man sich hier für das Genitiv-Apostroph entschieden? Weil Nesser, zwar auch mehrfach verfilmter Bestsellerautor, dann doch nur Genrefans ein Begriff ist und die ARD ohne Apostroph ein Falschlesen befürchtet? Während Mankells Name hingegen wirklich jeder „Tagesschau“-Gucker kennt – weil sich der Literat nicht nur damit begnügt, die Krimiwelt zu retten – und daher auch ohne ein ’ verständlich ist? Wer weiß.

Die Schreibweise ist aber nicht das Einzige, was die Schwedenkrimi-Adaptionen im Ersten voneinander unterscheidet. Man muss nicht mal ein Korinthenkacker sein, um das zu sehen.

Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass die gemeinten Mankell-Verfilmungen von schwedischen Regisseuren mit schwedischen Schauspielern in Schweden gedreht wurden.

Die heute gezeigte Nesser-Verfilmung wurde hingegen von einem deutschen Regisseur (Jörg Grünler, „Die glückliche Familie“) mit deutschen Schauspielern (Sylvester Groth, Nina Kronjäger, Vadim Glowna usw.) – im Schweden benachbarten Norwegen gedreht. Im Krimifach ist das keine neue Praxis. Joachim Król, Uwe Kockisch und Henry Hübchen waren schon als lustig berlinernde Commissari Brunetti und Laurenti in dem neben Schweden zweiten deutschen Sehnsuchtsland Italien unterwegs. Und Walter Sittler ermittelt als Robert Anders auf Gotland.

Der Titel der ZDF-Reihe „Der Kommissar und das Meer“ ist auch das Programm des heutigen ARD-Films, nur dass Barbarotti lediglich Inspektor ist. Dazu aber gleich, denn hätte die taz den Platz, müsste der Rezensent jetzt eigentlich einen weiten historischen Bogen schlagen zu den Edgar-Wallace-Verfilmungen aus den 60ern mit Joachim Fuchsberger, Klaus Kinski & Co. – in denen mitunter schon mal die Berliner Pfaueninsel als englische Parklandschaft herhalten musste.

Das wäre bei Inspektor Barbarotti nicht gegangen. Denn die wirkliche Hauptrolle spielt in dem Film die schwedische, also: norwegische, Bilderbuchküstenlandschaft. Die Einstellungen, in denen im Bildhintergrund nicht das blaue Meer versonnen vor sich hin plätschert, lassen sich an einer Hand abzählen. Das kommt gut, gerade jetzt vor den Sommerferien. Und dann die putzigen hölzernen Schwedenhäuschen, komischerweise alle nicht in Schwedenrot, sondern in Weiß und Pastelltönen angestrichen. Auch sehr schön. Die Schweden selbst könnten das gar nicht so schön filmen, weil: Für die ist das ja normal. Alltag. Wichtig ist nur, dass man es mit der Exotik nicht übertreibt, den Zuschauer nicht mit zu viel Unbekanntem überfordert. Da helfen die bekannten Gesichter der deutschen Darsteller – und die Balance der Fernsehunterhaltung für die ganze Familie stimmt wieder. Dazu noch ein bisschen Mord und Totschlag, familiäre Abgründe, Backfischliebe, Erwachsenenliebe und ein Bösewicht, wie er im Buche steht (tut er ja auch). That’s entertainment à la Degeto.

Einen guten Job macht übrigens Sylvester Groth als Barbarotti. Man kann nie ganz sicher sein, wem die immer leicht ironische Nuance in seinem Spiel eigentlich gelten soll. Und seine sehr einseitigen Zwiegespräche mit Gott, mit dem er eine Wette um dessen Existenz laufen hat, sind allererste Sahne:

„Großer Gott, wenn es dich wirklich gibt – und zurzeit sieht es ja so aus –, dann sorge doch dafür, dass Jens Lindewalds Flugzeug aus Bangkok morgen früh so um 4,5 Stunden später landet. Damit ein armer, alleinerziehender, hart arbeitender Kriminalbeamter es schafft, ein einziges Mal in seinem geistlosen Leben auszuschlafen.“

Mehr als einen Punkt gibt’s für diese Kleinigkeit aber nicht. Gute Nacht und Amen!“ Ach so, worum geht’s jetzt eigentlich in dem Film, was ist der Kriminalfall? Nicht so wichtig. Lieber die schöne Landschaft genießen!