Haft für gute Recherche

TÜRKEI Irfan Aktan soll in den Knast, weil er mit den Falschen sprach

Als kürzlich alle türkischen Zeiten übervoll waren mit Geschichten von „unseren Gaza-Helden“, erschien in der auflagenstärksten türkischen Tageszeitung Zaman eine Kolumne von Ayse Karabat, in der sie über ihren ganz anderen Helden des Tages schrieb. Es ging um einen Kollegen, Irfan Aktan.

Irfan Aktan gehört nicht zu den Journalisten, die in der Türkei jeder kennt. Er wird nicht in die gängigen Talkshows eingeladen und schreibt im Express, einem linken Magazin mit kleiner Auflage.

Doch Irfan Aktan unterscheidet sich noch weiter von vielen seiner Kollegen. Er ist kein Schreibtischjournalist. Irfan ist immer unterwegs. Er spricht nicht über die Leute, er spricht mit ihnen. Das ist ihm nun zum Verhängnis geworden. Er muss für 15 Monate in Gefängnis – weil er gewissenhaft gearbeitet hat und für eine Recherche mit vielen Leuten redete. Nach Ansicht des Gerichts redete er dabei auch mit den falschen.

Nachdem die türkische Regierung im vergangenen Jahr groß eine neue Kurdeninitiative angekündigt hatte, deren einzi- ges Ergebnis bislang ist, dass im letzten Sommer einige sogenannte Friedensaktivisten der PKK vom Nordirak in die Türkei zurückkamen, fuhr Irfan Aktan in den kurdischen Südosten des Landes.

Er wollte recherchieren, was die Leute eigentlich als Lösung des „Kurdenproblems“ erwarten. Er sprach mit Menschen auf der Straße, Geschäftsleuten, Mitgliedern der später verbotenen kurdischen Partei DTP und auch mit ausgewiesenen Sympathisanten der PKK. Das wurde ihm nun zum Verhängnis.

Ein stupendes Gericht verurteilte ihn nun wegen „Propaganda für eine terroristische Organisation“, zu 15 Monaten Haft.

Jürgen Gottschlich, Istanbul