Es ist ein Merkelmännchen!

NEUBESETZUNG „Heute“-Sprecher Steffen Seibert wechselt vom ZDF auf den Posten des Regierungssprechers und steht damit in einer langen Tradition von Exjournalisten im Bundespresseamt. Das ZDF zeigt sich pikiert

Um Geld, sagen sie beim ZDF, sei es Seibert nie in erster Linie gegangen

VON STEFFEN GRIMBERG

Wir unterbrechen unser Programm für eine wichtige Durchsage: Die Bundeskanzlerin hat eine Entscheidung getroffen, die offenbar nicht gleich wieder von FDP oder CSU zerredet wird: Für den scheidenden Regierungssprecher Ulrich Wilhelm (CSU), den es unter das Dach der ARD zieht, folgt Steffen Seibert (ZDF). Der politisch betont zurückhaltende „heute journal“-Moderator wechselt schon ab dem 11. August als neuer Regierungssprecher vom öffentlich-rechtlichen Sender in Mainz zur Rumpelkoalition nach Berlin.

Dass Merkel sich als Nachfolger für den charismatischen Ulrich Wilhelm einen Journalisten holen und nicht auf einen Beamten oder anderen Zögling des Politbetriebs setzen würde, galt als sicher. Und schon immer kamen sie gern von Bild – wie Bela Anda bei Schröder – oder dem ZDF – wie Friedhelm Ost bei Kohl.

Doch den 50-jährigen Seibert hatte niemand auf dem Zettel. Schon gar nicht sein bisheriger Arbeitgeber: „Nachrichtenmoderator Steffen Seibert hat dem Sender mitgeteilt, dass er das ZDF verlassen werde. Er habe eine persönliche Entscheidung getroffen und wolle das Angebot annehmen, künftig als Sprecher der Bundesregierung zu arbeiten“, gab das Zweite pikiert bekannt. So viel Missbilligung spricht selten aus dürren Pressemeldungszeilen.

Auch der ZDF-Chefredakteur fand deutliche Worte. Peter Frey bedauerte, „dass Steffen Seibert seine Perspektive nicht im Journalismus gesehen hat. Er nimmt die bundesweite Bekanntheit, die er (…) als Moderator von „heute“ und „heute journal“ erworben hat, und die damit verbundene Kompetenz und Glaubwürdigkeit mit in seine neue Aufgabe.“

Der bekennende Wechselwähler Seibert, der keiner Partei angehört, aber – wie er selbst sagt – bis auf die Linke alle im Bundestag vertretenen schon angekreuzt hat, sprach von einer „ganz unerwarteten, faszinierenden neuen Aufgabe“. Er nehme den neuen Job „gerne an, weil ich überzeugt bin, dass die Bundesregierung unter Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel die richtigen Schwerpunkte setzt, um unserem Land in diesen schwierigen Jahren eine gute Zukunft zu sichern“. Und jetzt wolle er, der „leidenschaftliche Journalist“, auch „mit aller Kraft“ helfen, diese Politik „den Bürgern zu vermitteln“.

Doch was treibt Seibert fort vom Sender, wo er seit dem Volontariat gearbeitet und ab 2003 den Bürgern die Politik als Redakteur und Moderator von „heute“ vermittelt hat ? Es dürfte – bei allem „Idealismus“, den ZDF-Hierarchen wie Programmdirektor Thomas Bellut ihm umgehend bescheinigen – schon mit der Karriereleiter zu tun haben: 2007 kam zwar noch das „heute journal“ dazu, doch Seibert steht als Nachrichtengesicht „Nummer drei“ immer ein bisschen im Schatten von ZDF-Frontmann Claus Kleber und „heute journal“-Moderatorin Marietta Slomka. Um Geld, sagen sie beim ZDF, sei es ihm nie in erster Linie gegangen – Seibert habe mehr herausholen können, wenn er gewollt hätte.

Sein Vorgänger Ulrich Wilhelm geht übrigens dahin, wo Seibert herkommt: zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der CSU-Mann wird Anfang 2011 neuer Intendant der ARD-Anstalt Bayerischer Rundfunk. Diese Personalie sorgte für zum Teil heftige Kritik: Ein enger Merkel-Vertrauter, der offizielle Oberverkäufer der Politik der Bundesregierung, wechselt fast übergangslos in einen Topjob bei der ARD. Nun schickt das ZDF den Nachfolger – und will sich mit seiner dezidierten Missbilligung wohl auch des Eindrucks erwehren, die Bande zwischen dem ZDF und der Politik seien wieder einmal dicker, als es für die Staatsferne zuträglich ist.

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