FERNSEHPREIS, PETER TURI, „WELT“-ANZEIGENBEILAGE
: Können Schweizerinnen nicht alleine schreiben?

Hallo, taz-Medienredaktion,

oh, oh, da rumpelt’s mächtig im Fernsehpreis-Karton. Nachdem die Deutsche National-Elf den Ehrenpreis abgesahnt hat, fordern auch andere Protagonisten Auszeichnung für „Spannung“ und „Bilder voller Dramatik“ im Fernsehen. Als Quotenbringer hat der Asche-Action-Held Eyjafjallajökull eine Anerkennung angemahnt, ebenso wie die Teilnehmer der Massenpanik der Duisburger Loveparade, die im Bereich „Reality-Drama“ ausgezeichnet werden wollen.

Der Wunsch des isländischen Vulkans könnte allerdings an seinen mangelnden Kenntnissen der deutschen Sprache und dem Vorstoß Horst Seehofers scheitern, der keinen Bedarf einer Einbürgerung von Vulkanen fremder Kulturkreise sieht.

Dabei hätte zumindest der Deutsche Fernsehpreis Zuwanderung bitter nötig. Hatte ich letzte Woche die an mich herangetragene Mutmaßung verbreitet, die erste Liga der Fernsehmimen würde aus Protest gegen das neue Reglement der Veranstaltung fernbleiben, musste man am Sonntagabend vor allem in Gesichter blicken, die keine Sau kennt.

Wahrscheinlich ARD-ZDF-RTL-SAT1-Kantinenmitarbeiter.

Spaßvögelchen Hugo Egon Balder und Schauspieler Jürgen Tarrach bildeten die Spitze der Bunte-Liga. Keine Berben, kein Gottschalk nirgends.

Von der vordersten Front zu berichten, heißt ja nicht immer Fakten, Fakten, Fakten. Manchmal heißt es auch Fragen, Fragen, Fragen. So etwa, wenn Peter Turi in seinem Mediendienst wundersame Sätze formuliert. In Verweis auf das Onlineportal der Schweizer Kommunikationswissenschaft, persoenlich.com, meldet Turi: „Samiha Shafy schreibt als erste Schweizerin alleine eine komplette Titelgeschichte im Spiegel“. Da möchte man wissen, was uns der Turi-Peter sagen will: Können Schweizerinnen für gewöhnlich nur mit anderen zusammen „komplette Titelgeschichten“ im Spiegel schreiben? Können Schweizerinnen für gewöhnlich alleine nur unkomplette Titelgeschichten im Spiegel schreiben? Haben Nicht-Schweizerinnen bereits alleine komplette Titelgeschichten im Spiegel geschrieben? Oder unkomplette? Oder eben nicht alleine?

Fragen über Fragen, und noch dazu das schreckliche Umgangsdütsch: „alleine“. Da kann man doch nur froh sein, selbst keine Titelgeschichte geschrieben zu haben. Im Spiegel. Allein. Komplett.

Etwas weltoffener zeigt sich Die Welt. Als hätte Ulf Poschardt persönlich Hand angelegt, präsentiert das Blatt seine „Anzeigensonderveröffentlichung“ zum Thema Trottoirkotierer unter dem Titel „Hund von Welt“. Weil eine „Anzeigensonderveröffentlichung“ in der Regel nichts anderes ist als das Hereinheben von PR-Texten oder das Erstellen von Texten in Absprache mit dem Finanzier der Sonderveröffentlichung, finden sich Erkenntnisse in dem Blatt, die jeden Hundehalter, der kein Fertigfutter kauft, das Fürchten lehren.

„Diese ewigen Mythen der Ernährung!“, heißt es, „Wir sprechen mit Frau Dr. Cornelia Ewering, Tierärztin und Ernährungsexpertin bei Mars Petcare, Deutschland“. Selbst zubereitetes Futter? „… ist möglich, aber nicht besser. Und nur vergleichbar gut, wenn …“ Süchtig machende Zusatzstoffe? „Nein.“

Spätestens bei ihrer Antwort auf die Vermutung, bei Hundefutter handele es sich um Abfälle: „Stimmt nicht“, das Fleisch sei für den „menschlichen Verzehr“ freigegeben, ahnt man, wer tatsächlich hinter der Sonderveröffentlichung aus dem Hause Springer steckt: die Hartz-IV-5-Euro-Erhöhungs-Lobby.

Würgend zurück nach Berlin.

DIE KRIEGSREPORTERINSILKE BURMESTER berichtet jeden Mittwoch von der MEDIENFRONT Feldpost? Mail an kriegsreporterin@taz.de