OTTFRIED FISCHER, DIE KABINEN-KANZLERIN UND „INSTYLE MEN“
: Schmerzensgeld für diese Fantasie!

Ich mach jetzt mal den Zensurtest: Wird es mir gestattet sein, Worte der Abneigung über Ottfried Fischer zu schreiben? Ich hab ja nie ganz verstanden, welche Beziehungen dieses Blatt zu dem Herrn pflegt. Klar ist, schreibt man was nicht so Nettes über ihn, kommen die Jungs aus ihren Schubladen gekrochen und vernichten das Ungemach im Text. So, wie sie es nicht versäumen, im Kontext seines Prozesses einen Artikel über seine Vorzüge zu verfassen.

Natürlich ist es ein wegweisendes Urteil, wenn der ehemalige Bild-Reporter, der zu seinem Schutz nie mit Namen genannt wird, zu einer Geldstrafe verurteilt wird, weil er Fischer zu einem Interview genötigt hat. Schlimm ist aber auch, wozu mich die Berichterstattung der letzten Tage genötigt hat: mir vorzustellen, wie der Mann, der zu dick zum Laufen ist, auf Bayerisch (!) mit Huren im Bett rummacht. Wobei mein Mitgefühl den Huren gilt.

Noch dazu war immer von einem „Schmuddelfilm“ die Rede, mit dem Fischer erpresst wurde, sodass man gar nicht anders kann, als sich zu fragen, was das ist, ein „Schmuddelfilm“? Mit einem nackten, fetten Bayern und zwei Prostituierten. Allein für das Auslösen dieser Fantasien sollte Schmerzensgeld fällig sein. Beim Leser, selbstverständlich.

Die Frage, welches Bild der Mann in der Öffentlichkeit darstellt, beschäftigt auch den Münchner (!) Burda-Verlag. Im September hatte man dem Frauen-Gagablatt Instyle ein „Instyle Men“ beigegeben, ein Magazin „Für echte Fashion-Kerle“. Um zu benennen, was hier, ebenso wie beim Gruner-&-Jahr-Blatt Gala Men abspielt, „Jeans, Jeans, Jeans – Die besten Modelle und wie man sie jetzt stylt“, möchte ich ein Wort verwenden, das ich letzte Woche in der Süddeutschen entdeckt habe. Hier war im Zusammenhang mit Harald Martensteins Roman von einer verweichlichten, einer „verhausschweinten Männlichkeit“ die Rede. Auch für „Samenstaugewinsel“ sei dem männlichen Autor gedankt.

Letzteres ist ja sehr gegenwärtig. Zuletzt kam der gemeine Leser in seinen Genuss, so er denn den Zeilen folgte, die die empörte Herrenriege über den Besuch Angela Merkels in der Umkleidekabine der National-Elf von sich gab. Oder habe ich etwas verpasst? Hat sich an irgendeiner Stelle eine Frau darüber aufgeregt, dass die Kanzlerin es wagte, mitsamt Fotografen nach dem Spiel für regierungsstabilisierende Aufnahmen in das Heiligste vorzudringen? Es ist aber auch echt unverschämt, dass Frau Merkel tut, was sie für richtig hält. Einfach so. Als Nächstes will sie beim Staatsbesuch in Moskau oder Bangkok mit ins Bordell.

Instyle Men, um das zu Ende zu bringen, liegt dieser Tage am Kiosk aus. 3,50 Euro kostet es, und es ist die gleiche Ausgabe, die zuvor Instyle beilag. 3,50 Euro für etwas auszugeben, das zuvor kostenlos zu haben war – da sieht man mal, dass aus Sicht von Geschäftsführern der Blödheit von Männern keine Grenzen gesetzt sind.

Etwas Schönes hatten die vergangenen Tage aber doch! Zumindest kurzzeitig. Einen Moment lang. Beim Herbstgrillen im Schrebergarten von Freunden. Ein Blick in den strahlend blauen Himmel – und siehe da! Ein Geo-Heißluftballon! Das ist er! Denke ich. Das ist Peter-Matthias Gaede! Er kommt, um mich endlich zum Essen auszuführen! So, wie er es vor einem Jahr versprochen hat. Die Einladung, die er erst vor wenigen Wochen erneuert hat. Aber dann! Das Gas entflammt, der Ballon steigt auf – er zieht vorbei! War wohl doch wieder nur der Fotograf, der den neuen Geo-Kalender „Die Welt von oben“ aufnimmt. Voll enttäuscht zurück nach Berlin!

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