Der Versuch der alten Dame

HOLOCAUSTÜBERLEBENDE Thomas Halaczinsky zeigt die „Späte Rückkehr“ (22.45 Uhr, RBB) der Jüdin Margot Friedländer aus New York in ihre Heimat Berlin – und bleibt dabei unkritisch

Thomas Halaczinsky hatte schon 2003 in „Don’t call it Heimweh“ einen Besuch Friedländers in Berlin dokumentiert. Die hohen Erwartungen, die dieser Film weckt, kann „Späte Rückkehr“ nicht einlösen

VON PHILIPP GESSLER

Die Geschichte von Margot Friedländer ist ziemlich verrückt – und das fängt schon mit ihrem Namen und zwei Pünktchen an: Die alte Dame wurde als Margot Friedländer 1921 in Berlin geboren, hieß über 60 Jahre in New York ganz offiziell Friedlander und hat nun in Berlin, in ihrer neuen, alten Heimat, wieder die zwei Umlautpünktchen im Namen und im deutschen Pass: Friedländer ist bei sich und zu Hause angekommen. Oder was man halt so zu Hause nennt.

Denn bei Friedländer ist es so eine Sache mit dem Zuhause. Die Berliner Jüdin Margot Friedländer wurde nämlich verfolgt von den Nazis und den Mitbürgern ihrer Heimatstadt, versteckte sich dort für etwa anderthalb Jahre, wurde geschnappt, ins KZ Theresienstadt verschleppt, überlebte mit viel Glück – und wanderte 1946 nach New York aus mit ihrem Mann, dem sie im Lager nahekam. Nach dessen Tod vor ein paar Jahren wagte Friedländer den großen Schritt, mit all ihrem Hab und Gut nach Berlin zurückzukehren und die deutsche Staatsbürgerschaft wieder anzunehmen. Über diese große Lebensentscheidung und ihren Umzug hat Thomas Halaczinsky die Dokumentation „Späte Rückkehr“ gedreht.

Halaczinsky hatte sich schon 2003 mit Friedländer beschäftigt. Damals kam die New Yorkerin zurück nach Berlin, im Rahmen eines Besuchsprogramms des Senats für Berliner Jüdinnen und Juden, die durch die Nazis vertrieben worden waren. Halaczinsky beobachtete sie dabei und drehte den rührenden Dokumentarfilm „Don’t call it Heimweh“. „Späte Rückkehr“ ist insofern die Fortsetzungsgeschichte des älteren Films – zwischen Friedländer und Halaczinsky ist ganz offenbar ein großes Vertrauen gewachsen.

Hier aber beginnt die leichte Enttäuschung, die einem angesichts hoher Erwartung nach „Don’t call it Heimweh“ befällt. Schon der Anfang des neuen Films ist etwas wirr, denn man sieht Friedländer, die in einem Kino sich selbst betrachtet, eben im „Heimweh“-Film. Wer Friedländers Geschichte nicht kennt, kommt da ob der dreifachen Zeitsprünge in ihren Berichten (Nazizeit, Besuch in Berlin 2003 und vor dem Umzug heute) nur schwer mit. Seltsam auch, dass ein wichtiger Berliner Freund Friedländers, Kulturstaatssekretär André Schmitz, dauernd auftaucht, ohne wirklich vorgestellt zu werden – und ist dieses Schloss, wo er sie empfängt, etwa seine schlichte Bleibe?

Im Laufe des Films wird Friedländer immer wieder in New York gezeigt, vor allem im Gespräch mit alten, meist jüdischen Bekannten, denen sie verzweifelt, aber weitgehend erfolglos zu verklickern versucht, warum sie wieder zurück nach Berlin will, ins frühere Land ihrer Verfolger. Dabei verweht recht schnell ein Teil der Sympathie, die man für die alte Dame und ihren Mut gewinnen kann, denn Friedländer sagt ihren Gefährtinnen ziemlich brutal ins Gesicht: Im Grunde hätten die USA doch nichts für sie getan, ja eigentlich habe sie hier in New York nach dem Tod ihres Mannes keine Freunde mehr. Da hakt Halaczinsky nicht nach – wie überhaupt die Rückkehr fast nur als gelungene, ja glorreiche Heimkehr gefeiert wird. Echte Zweifel finden kaum statt.

Vielleicht sollte der Filmemacher deshalb am Stoff dranbleiben und in ein paar Jahren Friedländer noch einmal filmen, wenn das denn noch geht. Um das Ende der Geschichte zu hören: Hat es sich wirklich gelohnt?