Geld für Reklame

INTERNET In der jüngsten Vergangenheit bewegten vor allem Fälle von Schleichwerbung im Fernsehen die Öffentlichkeit. Bald wird wohl auch die deutsche Blogosphäre einen großen Skandal erleben

Dass die Geschichte so lange unaufgedeckt blieb, mag an dem Knebelvertrag liegen, den eine Firma den Bloggern aufzwang

VON FRÉDÉRIC VALIN

„Das wird vermutlich die aufsehenerregendste Geschichte der deutschen Blogosphäre dieses Jahr“, sagt Sascha Pallenberg, und er klingt dabei ein wenig enttäuscht. Denn Pallenberg bloggt selbst und hat nun Dokumente zugespielt bekommen, die nach seinen Angaben den größten Schleichwerbeskandal belegen, seit es in Deutschland Blogs gibt.

Eine deutsche Internetfirma hatte Unternehmen wie Neckermann, Conrad, HRS oder Base versprochen, sie bei Google weit nach vorne zu bringen. Und das ging so: Das Unternehmen zahlte den Bloggern Geld dafür, dass sie Texte übernahmen oder schrieben – das ist noch nicht klar –, in denen sie auf die Seiten von Konzernen verlinken. Das war nicht als Werbung gekennzeichnet. Die Logik dahinter: Je öfter eine Seite verlinkt wird, desto prominenter taucht sie bei Abfragen der Suchmaschine Google auf.

Die Blogger erhielten zwischen 25 und 70 Euro pro Link. „Keyword-Spamming“ nennt das Pallenberg. Wer bei Google zum Beispiel „Teneriffa Reisen“ eingibt, muss in der Regel nicht erst überzeugt werden, ein Produkt zu kaufen: Er muss nur noch dorthin geführt werden. Und da ist eine prominente Googlelistung der beste Weg zum Erfolg.

Gut hundert Blogs sollen sich seit Sommer 2010 beteiligt haben. Dass die Geschichte so lange unaufgedeckt blieb, mag an dem Knebelvertrag liegen, den die vermittelnde Firma den Bloggern aufgezwungen hat und der der taz vorliegt.

Bestandteil ist eine Verschwiegenheitsklausel, Vertragsstrafe: 5.001 Euro. Ein horrender Betrag für die meisten Beteiligten, die sich, so vermutet Pallenberg, mit der Schleichwerbung die laufenden Kosten wieder reinholen wollten. „Die Blogger sind da nur Instrument und Opfer, die nützlichen Idioten“, sagt Pallenberg. Dass Blogger Teil des Problems sind, sieht der derzeit aus Taiwan schreibende Betreiber von netbooknews.de offenbar nicht. Deswegen will er zwar innerhalb der nächsten zehn Tage den Namen der Internetfirma preisgeben, „die Namen der Blogs bleiben aber unter Verschluss“.

Die meisten hätten zwischen 500 und 2.000 Leser täglich, es gebe hin und wieder auch ein paar bekanntere Namen. Von den großen Blogs sei aber niemand betroffen, „die wissen ja, wie’s läuft“, sagt Pallenberg. Schleichwerbung ist seit Jahren ein Thema in der Blogosphäre: Immer wieder versuchen Unternehmen und Agenturen, sich mit Kleckerbeträgen Links auf ihre Seite einzukaufen. Aber auch Webseiten etablierter Medien wie süddeutsche.de hatten schon Schwierigkeiten, Werbung zu kennzeichnen.

Im Bundesverband Verbraucherzentrale gibt es noch niemanden, der sich dezidiert des Themas annimmt: „Das ist ein Feld ist, auf dem wir noch tätig werden“, sagt Pressereferent Christian Fronczak. „Aber bisher haben wir da mangels Ressourcen noch keine Erhebungen.“ Dabei ist die Frage bei Bloggern von hoher Relevanz.

„Klar hat man hin und wieder solche Anfragen“, sagt Michael Seemann, der auf mspr0.de bloggt. Er habe aber noch nicht einmal darüber nachgedacht, so was anzunehmen. „Mein Blog ist mein Ding, meine Spielwiese, und ich bin dafür verantwortlich.“ Es sei auch eine Frage der Reputation: Mit solchen Aktionen verspiele man leicht Vertrauen.

Auf die Frage, warum er schon jetzt mit der Geschichte an die Öffentlichkeit gehe und nicht warte, bis er die Informationen gesichert habe, antwortet Pallenberg: „Klar hat das was von einer Kampagne.“ Er wolle einen „Schweizer Steuer-CD-Effekt“: Es würden sich jetzt fortwährend Betroffene an ihn wenden, die ihn mit noch mehr Details versorgten. Denkbar also, dass der Fall größer wird als bis jetzt angenommen.

Frédéric Valin bloggt aktuell regelmäßig bei spreeblick.com