Am Tisch des Titanen

POPULISMUS Oliver Kahn, früher Supertorwart, bloggt nun auch noch

Oliver Kahn war einmal ein guter Torwart. Er wurde Titan genannt. 86-mal hat er für die Nationalmannschaft gespielt. Eine Zeit lang war er ihr Kapitän. Auch beim FC Bayern, mit dem er die Champions League gewonnen hat, war er Spielführer. Vorbei. Führer will er dennoch bleiben. Meinungsführer. Auf der Webseite des Spartensenders Eurosport bloggt er seit zwei Wochen und gibt den Volkstribun. „Die Stimme der Fans“ nennt er sich und bewirbt ungeniert „das von mir mitbegründete Fanmeinungsportal fanorakel.de“. Er gibt den Stammtischbruder mit Profivergangenheit. Thema dieser Woche: Führungsspieler.

Dass er einer war, klar, das weiß eh jeder. Dass Philipp Lahm, der aktuelle und endlich hauptamtliche Kapitän der DFB-Elf, und Bastian Schweinsteiger, das Chefchen, keine sind, das macht Kahn überdeutlich. Er findet flache Hierarchien schwachsinnig. Hätte die „lieben Yahoo!Eurosport-User“ auch gewundert, wenn er das anders sehen würde. Nichts Neues? Doch! Kahn hat einen neuen Ausdruck für das Phänomen Leithammelkicker gefunden: „individualistischer Teamplayer“. So modern können sich Fußballweisheiten von gestern am Titanstammtisch anhören.

Bemerkenswert war auch sein Blogeintrag zum Saisonstart. Da umarmte er, der sportwagengeile Miezenabschlepper, die antikommerziellen, Manuel-Neuer-kritischen Ultras des FC Bayern regelrecht. „Fangruppierungen wie die Ultras begreifen sich zu Recht als Seele des Vereins.“ Hört, hört! Und er bettelte: „Gebt Manuel Neuer eine Chance!“ Der stehe bei den Bayern eh unter enormem Druck. Und der sei für normale Torhüter eh schwer auszuhalten. Dass Kahn ihn einst jahrelang ausgehalten hat, weiß eh jeder.

Moment. Bloggt er etwa, damit diese und andere Heldeneigenschaften des ehemaligen Fußballführers nicht in Vergessenheit geraten? Man könnte es fast vermuten.

ANDREAS RÜTTENAUER