„Titanic“ mal wieder vorne mit dabei

PRESSERAT Im Rekordjahr 2010 gingen stolze 1.661 Beschwerden ein. Daraus folgten 41 Rügen

Was macht eigentlich das Pressefreiheitsgesetz, das die Bundesregierung vor fast genau einem Jahr im Kabinett verabschiedet hat? Der Entwurf soll die Latte für behördliche Eingriffe bei Journalisten nach dem Cicero-Urteil des Bundesverfassungsgerichts höher hängen. Er trägt – sogar mal in positiver Hinsicht – die Handschrift der FDP. Doch es tut sich nichts. Das kritisierte auch der Deutsche Presserat bei seiner Jahrespressekonferenz in Berlin.

Und Presseratssprecher Bernd Hilder – ja, genau der, der Intendant beim MDR werden wollte und jetzt erst mal Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung bleibt – sagte: „Es ist dringend notwendig, dass das Cicero-Urteil Konsequenzen hat und von der Politik in eine klare Gesetzgebung umgesetzt wird.“ Dafür werde sich auch der Presserat weiter einsetzen.

Auch sonst hat die von Verlegern und Journalistengewerkschaften getragene Selbstaufsicht der Presse und ihrer Onlineableger alle Hände voll zu tun: 2010 geht als Rekordjahr in die Presseratstatistik ein, exakt 1.661 Menschen wandten sich mit Beschwerden an den Presserat. Rund 200 Beschwerden gab es allein zum Titanic-Cover „Kirche heute“, 240 weitere zur Berichterstattung über das Loveparade-Unglück. Insgesamt sprach der Presserat 7 nichtöffentliche und 34 öffentliche Rügen, seine schärfste Sanktion, aus.

Dass vor allem Bild gern mal zurückschießt und die Kriterien des Presserats in Frage stellt, ist ein alter Hut. Über die Aktion vom August, als das Blatt seine Leser aufforderte, beim Presserat gegen eine Rüge zu protestieren, habe man mit Bild gesprochen, sagte Presserats-Geschäftsführer Lutz Tillmanns. Es ging um „Tatverdächtigenberichterstattung“. Und da, so Tillmanns, werde man wohl weiter „unterschiedlicher Auffassung“ bleiben, wie der Pressekodex anzuwenden sei. STG