Steffen Grimberg Der Wochenendkrimi
: Unterm Beigeschleier

Vielleicht liegt es am morbiden Charme der im Beigeschleier fotografierten Lagunenstadt, vielleicht auch nur am Schnurrbart von Donald Sutherland: „Don’t look now“ ist immer noch einer der besten Thriller der 1970er. Äh, pardon: Krimis, natürlich. Polizei kommt ja auch vor.

Wer allerdings das Ganze pathetisch zu „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ eingedeutscht hat, gehört auch nach fast 40 Jahren noch … Aber lassen wir das. Zumal die Gondeln ja wirklich da sind und Trauer, Verlust und der Umgang mit beidem zentrale Motive des Films sind. Womit wir beim roten Regenmäntelchen wären, das Christine, die Tochter des Ehepaars Baxter, an jenem fatalen, weil ihrem letzten Tag auf dem Lande trägt. Und Baxter (Donald Sutherland) daraufhin einen Job in Venedig an- und seine Gattin Laura (Julie Christie) mitnimmt. Worauf es dann ziemlich unheimlich wird, vor allem, wenn zwischen all den Kanälen und Brücken rote Regenmäntel auftauchen.

Aber okay, die Story kennen Sie längst. Falls nicht, und Sie heute auch keine Zeit zum Gucken oder den RBB nicht im Kabel haben: Die deutsche Fassung des Films steht komplett auf YouTube. Was die Frage der Legalität angeht, ist diese Angabe ohne Gewähr. Faszinierend jedenfalls, dass einen der Film auch beim x-ten Sehen packt und man immer noch erschrickt, wenn es zum Showdown kommt. „Suspense“ heißt das Zauberwort, das so viel mehr ist als „Tatort“-Spannung und mit dem sich Regisseur Nicolas Roeg vor dem schon damals alten Meister Alfred Hitchcock verbeugt.

Heute macht keiner solche Filme mehr. Und wenn, würde nicht mehr im roten Regenmantel Motorboot gefahren. Nein, wie im verregneten Berlin der jüngeren Vergangenheit würden fußlose Touristen auf ihren Segways übers Trottoir rumpeln, und die einzige Reverenz an die große Zeit der Suspense wären diese lächerlich-durchsichtigen Regenmäntelchen, die sie umhängen haben.

„Wenn die Gondeln Trauer tragen“; Samstag, 23.45 Uhr, RBB