Der Fanbeauftragte

ALTERNATIVE Das neue Fußballmagazin „Transparent“ will politischer und kritischer ticken als die Konkurrenz

VON JENS UTHOFF

Ob Gleichstellung, Überwachung oder Rassismus: Früher oder später geistert jedes gesellschaftlich relevante Thema durch die Fankurven deutscher Fußballstadien. „Uns ist es wichtig, das abzubilden, was in der Fußballkultur an gesellschaftlichen Themen diskutiert wird“, sagt Kea Müttel. „Die Bereitschaft zur politischen Auseinandersetzung in den Fanszenen ist ja da – nur wird undifferenziert oder gar nicht darüber berichtet.“

Chefredakteurin Müttel ist der eine Teil der Leitung des Transparent, eines neuen Magazins für Fußballkultur. In diesen Tagen erscheint die zweite Ausgabe auf den Markt. Müttel, 25, und ihr Ko Pavel Brunßen, ebenfalls 25, wollen sich insbesondere den Themen widmen, die in Ultra- und Fankreisen heiß diskutiert werden. Seit April dieses Jahres gibt es die Website und das vorerst vierteljährlich erscheinende Magazin. Die Auflage liegt derzeit bei 3.000 Exemplaren. „Die Printausgabe hat bei uns Priorität“, sagt Müttel, „für mich ist das immer noch das Format, um Themen nachhaltig zu behandeln.“ Ein Redaktionsbüro gibt es noch nicht, das Heft wird in Heimarbeit in Köln und Münster produziert.

Das Magazin könnte eine wichtige Leerstelle ausfüllen: Ultra- und Fangruppen im deutschen Fußball fühlen sich in der Öffentlichkeit oft nicht ausreichend oder falsch repräsentiert. Es gibt zunehmend kritische, basisdemokratisch arbeitende Fangruppierungen, aber noch kein Printforum.

Einst wurde 11 Freunde gegründet, um Fußballkultur alternativ und kritisch zu behandeln. Und unbequeme Themen finden auch weiter statt im Berliner Heft. Politisch provokant getitelt hat man dort allerdings zuletzt Anfang 2010 („Fußballfans sind Verbrecher“). Ein direktes Konkurrenzmedium konnte sich neben 11 Freunde nie etablieren (der Olympia Verlag, in dem auch der kicker erscheint, scheiterte mit Rund). Transparent will nun jene Leserschaft erreichen, für die Fußball mehr mit Subkultur und Haltung als mit Unterhaltung zu tun hat, es wäre der politischer tickende, kleinere Bruder der Freunde.

In der ersten Ausgabe widmete sich Transparent im Schwerpunktthema der Gewaltdiskussion in den Kurven. Im aktuellen Heft greift man mit der Auseinandersetzung um „Stehplätze in Gefahr“ die derzeit größten Bedenken alternativer Fangruppierungen auf. Eine Reportage beschäftigt sich mit den Opfern unter den ägyptischen „Ultras Ahlawy“, die am Rande des Fußballspiels zwischen Al-Masri und Al-Ahly Kairo am 1. Februar dieses Jahres aus politischen Gründen getötet wurden. Kritisch widmet man sich auch dem deutschen Frauenfußballalltag ein Jahr nach der Heim-WM. Angesichts der Fülle an Themen, die im Fußball zurzeit diskutiert werden (Pyrotechnik, Homophobie, englische Verhältnisse et cetera), dürfte der Stoff zunächst nicht ausgehen.

Ob das Transparent sich als linkes Heft verstehe? „Wir würden uns gegen eine solche Zuschreibung nicht wehren“, sagt Müttel, „aber in erster Linie haben wir den journalistischen Anspruch, Themen differenziert und möglichst ausgewogen darzustellen“. Neben der Themenauswahl gehört das angenehme Layout (seriös, übersichtlich, schlicht), die Gewichtung der Themen (wenige, dafür ausführlich) und die gute Fotoauswahl zu den Stärken des Heftes.

Verbesserungsbedarf gibt es vor allem im journalistischen Handwerk. Bisweilen ufern Kommentare (die manchmal auch in Artikel einfließen) in Essays aus, manche Texte sind extrem schwammig formuliert, kommen nicht auf den Punkt. Das lesenswerte Interview mit Jürgen Sparwasser hat es darüber hinaus gar nicht nötig, in eine Rubrik namens „Was macht eigentlich“ gesteckt zu werden, die man zu Recht in der Mottenkiste wähnte. Bei der Leseprobe aus Sparwassers Buch ist zudem keine Trennung zwischen Redaktion und Werbung erkennbar. Das aber sind hoffentlich Kinderkrankheiten.