Die Rache für den Scoop

SPIONAGE Die US-Nachrichtenagentur AP wirft dem Justizministerium Bespitzelung vor – wegen eines kritischen CIA-Beitrags soll die Behörde Journalisten überwacht haben

AUS WASHINGTON DOROTHEA HAHN

„Massiv und beispiellos“ nennt Gary Pruitt, Chef der Associated Press (AP), das Abhören von mindestens 20 Telefonanschlüssen seiner Nachrichtenagentur. Die Gewerkschaft Newspaper Guild spricht von einer „ungeheuerlichen Attacke“. Und die Verlegervereinigung Newspaper Association of America ist „schockiert“ über die Schnüffelei, die „die in der US-Verfassung garantierte Pressefreiheit verletzt“. Selbst zahlreiche Republikaner, die sonst ein härteres Durchgreifen gegen „Whistleblower“ verlangen, kritisieren die US-Regierung. „Wer Reporter abhört, braucht eine gute Erklärung“, sagt John Boehner, Sprecher im Repräsentantenhaus.

Der ungewöhnlich einhellige Sturm der Entrüstung richtet sich gegen breit angelegtes und lang anhaltendes Abhorchen von AP-Reportern und Redakteuren. Betroffen sind Büros in Washington, DC, in New York City und in Hartford, Connecticut, aber auch mindestens eine AP-Fax-Leitung sowie private Handys von Journalisten. Am vergangenen Freitag hat das US-Justizministerium der Nachrichtenagentur mitgeteilt, dass sie im April und Mai vergangenen Jahres abgehorcht worden ist. Seit Montag, als die Sache öffentlich geworden ist, hagelt es Kritik. Aber im Weißen Haus wusste Sprecher Jay Carney von nichts. „Wir sind nicht in Entscheidungen über Ermittlungen involviert“, sagte er.

Einen Grund für das Anzapfen hat das Justizministerium bislang nicht genannt. Doch US-Journalisten gehen davon aus, dass es im Zusammenhang mit einem Scoop steht, den AP am 7. Mai 2012 gemacht hat. Darin berichtete die Agentur über einen Erfolg der CIA in Jemen, die einen Bombenanschlag auf ein Flugzeug verhindert habe. Kurz zuvor hatte das Weiße Haus bestritten, dass die USA von terroristischen Plänen in Jemen wisse.

Auf Bitten aus dem Weißen Haus, das die Sicherheit der CIA-Operation als Argument anführte, hatte AP die Veröffentlichung der Geschichte um mehrere Tage verschoben. Nachdem sie erschienen war, vermuteten Republikaner, dass hinter dem Informationsleck mitten im Wahlkampf ein politisches Interesse der Obama-Regierung stecke. Der damalige Sicherheitsberater im Weißen Haus und heutige CIA-Chef John Brennan wies diesen Verdacht weit von sich. In einer Erklärung an den Senat geißelte er 2012 eine „verantwortungslose und schädliche Weitergabe von Geheimdienstinformationen“.

Die Regierung Obama geht extrem scharf gegen „Whistleblower“ vor – gegen Amtsträger, die Geheiminformationen an die Öffentlichkeit bringen. Seit der ersten Wahl Obamas sind mehr „Whistleblower“ angeklagt worden als unter sämtlichen vorausgegangenen Präsidenten zusammen. Das sensible Thema dabei ist die „nationale Sicherheit“.

Bei AP wurden fünf Reporter und ein Redakteur, die an dem Scoop vom 7. Mai 2012 gearbeitet haben, abgehört. Zu ihrem Schutz und zur Verteidigung der journalistischen Arbeit verlangt AP-Chef Pruitt vom Justizministerium, dass es sämtliche abgehörten Daten an die Agentur zurückgibt und seine eigenen Dokumente vernichtet.