Couragierte Journalistin verhaftet

CHINA Gao Yu: „Geständnis“ im TV vor 4.-Juni-Jahrestag

BERLIN taz | Bis vor Kurzem noch hofften Gao Yus Freunde, dass die Behörden die Journalistin nur vorübergehend verschleppt hätten. Denn der 4. Juni rückt immer näher – und in diesem Jahr versucht die Regierung mit besonderer Härte, ein Gedenken an das Tiananmen-Massaker von 1989 zu unterbinden, indem sie kritische Köpfe aus der Hauptstadt verbannt oder schlicht für eine Zeit verschwinden lässt.

Doch die Lage der seit dem 24. April verschwundenen Gao Yus ist schlimmer als befürchtet: Der staatliche Fernsehsender CCTV gab am gestrigen Donnerstag bekannt, dass die 70-Jährige wegen „Weitergabe von Staatsgeheimnissen“ verhaftet worden sei. CCTV zeigte eine Aufnahme von Gao Yu, wie sie – gekleidet mit der orange-roten Häftlingsweste, das Gesicht unkenntlich gemacht – ein „Geständnis“ ablegt: „Ich gebe zu, dass das, was ich getan habe, rechtliche Fragen berührt und das Interesse des Landes bedroht“, sagte sie da und: „Ich habe sehr falsch gehandelt. Ich habe meine Lektion gelernt und ich gestehe, dass ich schuldig bin.“

Derartige Geständnisse, die – wie offenbar in diesem Fall – im Fernsehen gezeigt werden, bevor die Angeklagten überhaupt einen Anwalt sehen durften, führen in der Regel dazu, dass der Prozess kurz wird und das Urteil besonders scharf ausfällt.

Offen bleibt noch, um welche „Geheimnisse“ es sich handelt: Gao Yu hat seit ihren beiden Gefängnisaufenthalten – zusammen über sieben Jahre – in den 90er Jahren Berufsverbot in China. Sie hält sich durch Artikel für Hongkonger und ausländische Medien, darunter die Deutsche Welle, über Wasser. Dabei schreibt sie kenntnisreich über Debatten in der KP.

Zur Zeit der Tiananmen-Proteste war sie als couragierte Journalistin in ihrer Heimat berühmt. Bis zuletzt hat sie weitergearbeitet, trotz Herzleiden und ständiger Einschüchterung durch die Behörden. JUTTA LIETsch