Aufruhr gegen Autor

AFGHANISTAN Nach einem „blasphemischen“ Artikel fordern Demonstranten die Todesstrafe

In Afghanistan ermitteln die Behörden gegen Herausgeber und Mitarbeiter des Afghanistan Express wegen Blasphemie. Nach Kabuler Medienberichten seien Haftbefehle verhängt worden. Das Innenministerium dementierte dies jedoch. Am Freitag forderten 500 Islamisten, Mullahs und Abgeordnete bei einer Demonstration die Todesstrafe für die Verantwortlichen, die am 15. Oktober in dem englischsprachigen Blatt den Kommentar „Der Islam der Taliban und des ISIS“ veröffentlicht hatten.

Der Autor ist Ahmad Jaweed Ahwar, ein 27 Jahre alter Politologe und Aktivist. In dem Kommentar hinterfragt er die Existenz Allahs angesichts des Leids in der Welt und der in seinem Namen von den Taliban und dem Islamischen Staat (IS/ISIS) verübten Verbrechen. Ahwar hat in den Niederlanden Asyl beantragt. In sozialen Medien wird behauptet, er habe Schwierigkeiten, seine politische Verfolgung nachzuweisen. Deswegen nun dieser Artikel. Auf der Webseite des Blattes erschien inzwischen eine anonyme Entschuldigung, wonach der Artikel nie hätte veröffentlicht werden sollen. Gedruckt erscheint das Blatt nicht mehr.

Die Behörden wurden nach einer Anordnung von Abdullah Abdullah aktiv, der in der neuen Regierung den verfassungsmäßig nicht vorgesehenen Posten eines Premierministers bekleidet. Damit wurde das nach der Wahl entstandene Patt zwischen den führenden Lagern aufgebrochen. Auch Präsident Ashraf Ghani sprach sich gegen Afghanistan Express aus. Ghani und Abdullah wollen die Verfassung ändern, um Abdullahs Posten abzusichern. Im Gegenzug wollen Islamisten, dass liberale Elemente wie Pressefreiheit in der Verfassung geschwächt werden.

Der Ausgang dieses Streits dürfte zeigen, ob Ghani wirklich die Pressefreiheit verteidigt. Kürzlich erlaubte er dem Korrespondenten der New York Times die Rückkehr. SVEN HANSEN