Yonca liebt Musik, Geselligkeit und gute Laune.

Sie ist ein fröhliches Mädchen. Nur zu Hause herrscht oft alles andere als Partystimmung: Eltern zu streng, zu konservativ, zu egoistisch. Noch ist sie 15, aber sie überlegt, mit 18 Jahren abzuhauen. Warum? Weil sie es hasst, zu Hause kontrolliert zu werden, weil sie nicht ständig im Haushalt helfen will und weil sie sich einfach mehr Freiheit wünscht. Ob sie tatsächlich abhauen wird, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Sie liebt ihre Eltern, und sie weiß, dass sie sich Sorgen um sie machen. Sie weiß auch, dass ihre Eltern zu früh geheiratet und Kinder bekommen haben. Leider lief es zuletzt in der Schule nicht viel besser für sie. Der verrohte Umgangston und der ständige Druck setzten ihr so arg zu, dass sie es kaum mehr ertragen kann und will. Yonca schaut in den Spiegel: Sie sieht ein hübsches Gesicht, das von einem Kopftuch umrahmt wird. Es gefällt ihr. Sie schaut auf die SMS von gestern, in der ihre heimliche große Liebe mit wenigen Worten Schluss gemacht hat. Wegen einer anderen, „es hat einfach nicht geklappt“. Dann denkt sie an die jüngsten Pleiten bei der Bewerbung um einen Ausbildungsplatz: „Falscher Name, falsches Aussehen.“ Tränen schießen ihr in die Augen. Und wieder fragt sie sich: Warum? Sie wird es nie schaffen, als das anerkannt zu werden, was sie ist: eine selbstbewusste junge Frau, die anders ist. Es klopft an der Tür. „Yonca, darf ich reinkommen? Mein Name ist Dr. Heinrich, ich will mir mal deine Verletzungen am Unterarm anschauen.“

LAMYA KADDOR, 33, ISLAMWISSENSCHAFTLERIN SYRISCHER HERKUNFT