Lichtspiel wird Zwischenmieter

Das Metropolis-Kino zieht für rund drei Jahre in die Räume des ehemaligen Savoy-Kinos in St. Georg. Sein denkmalgeschützter Saal wird so lange eingelagert – und dann 1 : 1 wieder aufgebaut

von KLAUS IRLER

Regal reiht sich an Regal und lagert: Löffel, Handy-Hüllen, Nagelfeilen und Scheren. Gegenüber stehen Tiger aus Plastik, ein Schlauchboot in der Optik der amerikanischen Nationalflagge und goldgerahmte Gemälde von Wasserfällen. Die Verkäufer in diesem geräumigen Laden am Steindamm in St. Georg sind sehr freundlich und tragen Turban. „Alles muss raus“ steht draußen auf der Schaufensterscheibe, und das ist in diesen Tagen tatsächlich ernst gemeint: Hinter dem Verkaufsraum gibt es eine Tür und hinter dieser Tür befindet sich ein richtige Kinosaal.

Es ist das ehemalige Savoy-Kino, offiziell eröffnet 1957 und seit 1998 nur noch als Lager genutzt. Ab Mitte August wird dieses Kino nun für zirka drei Jahre die neue Heimat des Metropolis-Kinos. Das wird nötig, weil das Metropolis-Gebäude in der Dammtorstraße einem Neubau weichen soll. Nach der Bauphase wird das Metropolis zurückkehren in die Dammtorstraße und das Team wird dort exakt denselben Saal vorfinden, den es in diesen Tagen verlässt: Der Metropolis-Kinosaal steht unter Denkmalschutz und wird von den Bauherren Hochtief und Norddeutsche Grundvermögen fachgerecht ausgebaut, eingelagert und wieder in das neue Gebäude integriert. „Die haben alles vermessen inklusive der Zierleisten und sogar einen Akustiktest gemacht“, sagt Metropolis-Geschäftsführer Martin Aust. Am 1. Juli feiert das Metropolis öffentlich seinen letzten Tag: ab 15 Uhr bei ständigem, freiem Einlass.

Denkmalgeschützt ist der Saal, weil er jene Ausstattung aufweist, die für ein Nachkriegskino typisch ist. Das Metropolis wurde 1951 als Aktualitätenkino eingerichtet: als Kino, in dem es in ständiger Wiederholung eine Zusammenstellung aus Wochenschauen und Dokumentar- und Zeichentrickfilmen gab. Die Rangbrüstung ist indirekt beleuchtet, die Wandlampen wurden eigens gefertigt und das Material der Wandbespannung ist das selbe, mit dem Volkswagen damals die Rücksitze des VW-Käfers bezog.

Der Denkmalschutz, der nun das Metropolis auf Kosten der Bauherren im Original überleben lässt, hatte dem Savoy in St. Georg in den entscheidenden Momenten gefehlt: Das Kino eröffnete 1957 mit einer stark gekrümmten, 20 mal 8,5 Meter großen Riesenleinwand und modernsten Projektoren, die auch 70-mm-Filme abspielen konnten. Es war die Zeit, als das Kino mit neuer Bombast-Technik das Fernsehen als Konkurrenten abservieren wollte. Das Savoy galt damals dem Branchenorgan Film-Echo als „modernstes Filmtheater Europas“. 1978 übernahm dann die UFA-Kette das Kino und machte aus dem großen Saal und dem prächtigen Foyer ein Schachtel-Kino mit fünf Sälen. 1994 war auch dieser Trend vorbei und die UFA richtete wieder einen großen Saal ein. Der allerdings sieht mit seinen roten Polstersesseln und dem schwerem, rot gepunkteten Teppichboden aus wie ein ganz durchschnittlicher Popcorn-Saal für Mainstream-Kino.

Eben dieses allerdings wird dort nicht stattfinden: Das Metropolis-Team will zwar auf den Stadtteil reagieren, dabei allerdings sein Profil als kommunales, von der Kulturbehörde gefördertes Kino nicht verändern. „Wir bauen das, was wir bisher schon machen, auf das Kino und das Viertel um“, sagt Mitarbeiterin Rita Baukrowitz.

Das Metropolis im Savoy wird knapp 600 Plätze haben, also mehr als doppelt so viele als bisher in der Dammtorstraße. Auf Auslastungszahlen schielen muss das kommunale Kino mit seinem klar formulierten Programmauftrag aber nicht. Es gibt also weiterhin anspruchsvolles, täglich wechselndes Filmkunst-Programm mit Länderschwerpunkten, Themenreihen und Festivals wie dem Japanische Filmfest oder den Lesbisch-schwulen Filmtagen. Und es wird zusätzlich den ein- oder anderen Cinemascope-Film geben, um die große Leinwand zu nutzen, die das Savoy bietet.

Dabei ist diese Lösung nicht nur für das Metroplis, sondern auch für St. Georg ein Glücksfall. Direkt gegenüber liegt das Kleinkunst-Theater Polittbüro; der Steindamm, sowieso gerade durch diverse Bauprojekte im Umbruch, wird kulturell weiter aufgewertet und gezahlt wird das alles von jenen Firmen, die in der Dammtorstraße ein neues, teueres Quartier aus Geschäften und Büros entwickeln wollen. Am Ende wird das Metropolis wieder ausziehen und am Steindamm könnte sich ein Kino neu etabliert haben. Optimalerweise.

Abschied vom Metropolis: Dienstag, 1. Juli, ab 15 Uhr mit Filmen aus dem Archiv der Kinemathek sowie dem Film- und Fernsehmuseum. Ab 19 Uhr führen Volker Reißmann und Michael Töteberg durch Hamburgs Kinogeschichte. Eintritt frei