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: „Aus Protest muss Politik werden“

Tibet vor den Olympischen Spielen: Tibetisches Zentrum lässt Asien-Experten diskutieren

taz: Herr Hilmer, die Berichterstattung über Tibet ist hierzulande leiser geworden. Wie ist die Lage vor Ort?

Andreas Hilmer: In Tibet herrscht eine gespenstische Ruhe. Die Polizeipräsenz ist erdrückend. Man hat es ja bereits beim Fackellauf durch Lhasa gesehen. Klöster und ganze Straßenzüge sind abgesperrt. Ich höre immer wieder von kleineren friedlichen Protesten, nicht nur in der Hauptstadt.

Sind Sie vom Internationalen Olympischen Kommittee (IOC) enttäuscht?

Das IOC hat eine schlechte Rolle gespielt und einen moralischen Eiertanz aufgeführt. Einerseits verurteilt es die Situation in Tibet, andererseits will man Sport und Politik nicht vermischen. Es gibt nichts Politischeres als die Olympischen Spiele. Wir machen diese Veranstaltung, damit der jetzige Unterdrückungszustand nicht als normal angesehen wird.

Und wie geht es nach den Spielen weiter?

In den vergangenen Monaten gab es insgesamt sieben Treffen zwischen Vertretern des Dalai Lama und der chinesischen Regierung. Diese waren sehr enttäuschend, die Stimmung war durch die Berichterstattung aufgeheizt. Aus Protest muss Politik werden. Ein klarer Zeitplan für einen Dialog nach den Spielen ist wichtig. Wenn die Chinesen schlau sind, dann beziehen sie den Dalai Lama mit ein. Er sorgt dafür, dass die Proteste gewaltfrei sind. Nur mit ihm kann es eine friedliche Lösung geben.Interview: JUL

19 Uhr, Museum für Völkerkunde, Rothenbaumchaussee 64

Fotohinweis:ANDREAS HILMER, 46, ist Tibet-Kenner