HAMBURGER SZENE VON REBECCA CLARE SANGER
: Struktureller Eingriff

Jahrzehntelang hatte der Zettel im Schaufenster gehangen, sonst gab es nichts, was von der Botschaft ablenken hätte können

Es riecht nach altem Fisch. Das tut es sonst hier nie, oder stehe ich normalerweise nicht so früh auf? Andererseits, wo, wenn nicht hier? Neben der Seemannskirche ist ein Ausstellungsraum, ein Touristenramschladen, dann kommen weiter vorn die neuen Klamottenläden, die Cafés und Restaurants, hier hat doch auch die Schiffszimmerergenossenschaft Häuser. Das Schaufenster, das immer leer gestanden hat, ist noch leerer als vorher.

Jahrzehntelang hatte der Zettel im Schaufenster gehangen, außer dem tapezierten Schaufensterhintergrund gab es nichts, was von der steckbriefartigen Botschaft ablenken hätte können. Es war der Zettel eines Mannes, der seine Frau verloren hat. Ein Mahnzettel, von einem Trauernden geschrieben, der an die angebliche Pfuscherei von Ärzten erinnerte, die vor rund 40 Jahren in irgendeinem Hamburger Krankenhaus seine Frau falsch operiert hätten.

So genau hatte ich mir den Zettel eigentlich nie angesehen. Wie konnte man so viele Jahre lang diesen Laden brach liegen lassen, dem Anliegen eines vielleicht längst toten, vielleicht spinnerten Mannes ein Schaufenster widmen? Hinter dem nun leeren Schaufenster hängen Meisterbriefe, irgendwas mit Löwe heißt der Mann, Löwenstein, vielleicht? Und was wird jetzt mit dem Laden. Das Haus gehört der Schiffszimmerergenossenschaft, die kann ich ja mal fragen.