Den Konzernen ins Netz gegangen

ENERGIEVERTRÄGE Große Risiken für Hamburg sieht ein Gutachter bei den Verträgen der Stadt mit Vattenfall und Eon über die Netze für Gas, Strom und Fernwärme. Senat findet die Vereinbarungen trotzdem gut

Die Energieverträge zwischen der Stadt Hamburg und den Konzernen Vattenfall und Eon Hanse „enthalten erhebliche juristische und wirtschaftliche Risiken“, sagt der Berliner Rechtsanwalt Philipp Boos. Diese seien so groß, dass die Bürgerschaft sie „nicht annehmen sollte“, empfiehlt der Energierechtler in einem Gutachten im Auftrag der Initiative „Unser Hamburg – Unser Netz“. Die Verträge seien „schlecht verhandelt“, kommentiert Manfred Braasch, Vertrauensmann der Initiative und Geschäftsführer der Hamburger Umweltorganisation BUND. Eine Verabschiedung im Parlament am 18. April wäre „grob fahrlässig“.

Boos kommt nach Auswertung der Verträge in seiner 21-seitigen Expertise zu dem Schluss, das von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) gewählte Vertragskonstrukt sei „für eine Steuerung der Hamburger Energiepolitik ungeeignet“. Außerdem könnten sich die Energiekonzerne Eon und Vattenfall 2018 und 2019 die Verträge einseitig „rückabwickeln“. Sie könnten somit die Stadt als Minderheitsgesellschafter wieder loswerden, würden aber die Hoheit über die Versorgungsnetze behalten. Zudem handelt es sich laut Boos um einen Verstoß gegen das europäische Wettbewerbsrecht, dass die Stadt auf eine öffentliche Ausschreibung des Fernwärmenetzes verzichten wolle.

Der SPD-Senat hatte am 28. November 2011 in drei Verträgen mit Vattenfall und Eon eine städtische Beteiligung an den Versorgungsnetzen für Strom, Gas und Fernwärme festgeschrieben. Für die drei Anteile von jeweils 25,1 Prozent zahlt die Stadt zusammen 543,5 Millionen Euro. Mit dieser Sperrminorität könne Hamburg seine „strategischen Ziele“ bei der Energieversorgung und der Energiewende erreichen, ohne die Netze für etwa 2,2 Milliarden Euro vollständig zurückkaufen zu müssen, begründete Scholz seinerzeit den Deal.

Eben das bekräftigte Senatssprecher Christoph Holstein am Mittwoch auf Anfrage der taz: „Wir wollen die Energiewende jetzt und nicht erst nach Auseinandersetzungen, die möglicherweise viele Jahre dauern würden.“ Im Übrigen seien die Verträge, beharrte er, „gut für die Verbraucher“.

In einer öffentlichen Expertenanhörung am heutigen Donnerstagabend werden weitere sechs geladene Fachleute vor dem Haushalts- und dem Umweltausschuss der Bürgerschaft ihre Einschätzungen zu den Verträgen kundtun. Die Initiative beharrt derweil darauf, mit einem Volksentscheid im nächsten Jahr die 100-prozentige Übernahme der Netze durch die Stadt durchzusetzen. Sollte das gelingen, würden die Verträge gegenstandlos.  SVEN-MICHAEL VEIT