Der doppelte Bülent

CIFTLIK-PROZESS Wegen widerlegbarer Aussagen steht die Glaubwürdigkeit einer Belastungszeugin im Verfahren gegen den Ex-Politiker auf dem Prüfstand

Ciftlik, der frühere SPD-Politiker, und Constanze K. sitzen sich in inniger Feindschaft verbunden im Gerichtssaal gegenüber

„Das Spiel geht also weiter“, stöhnt die Zeugin. Als der Richter sie fragt, was das heiße, antwortet sie: „Eine passende Geschichte erfinden und dazu passende Beweismittel organisieren.“ Nichts anderes habe sie mit ihrem Ex-Freund Bülent Ciftlik über Monate gemacht, um dessen „Karriere zu retten“.

Heute sind die Rollen anders verteilt. Ciftlik, der frühere SPD-Politiker, und Constanze K. sitzen sich in inniger Feindschaft verbunden im Gerichtssaal gegenüber, sie ist zu einer Hauptbelastungszeugin in dem Strafverfahren gegen den 39-jährigen Deutschtürken geworden. Und sieht sich nun mit den Beweismitteln konfrontiert, die Ciftlik und seine Verteidigerin Gabriele Heinecke „organisiert“ haben, um K.s Glaubwürdigkeit grundlegend zu erschüttern.

Im März, bevor der Prozess durch einen Bandscheibenvorfall des Angeklagten unterbrochen wurde, hatte die Architektin ihren Verflossenen massiv beschuldigt: Detailliert hatte sie ausgeführt, wie Ciftlik Zeugen manipulierte E-Mails fälschen und Falschaussagen im Rollenspiel üben ließ. All das, um einer Verurteilung wegen der Anbahnung einer aus aufenthaltsrechtlichen Gründen geschlossenen „Scheinehe“ zu entgehen.

Dabei hat die Zeugin viele Begebenheiten exakt terminieren können, mal weil ihr Tagebuch eindeutig war, mal weil sie einen Tag später einen neuen Job angetreten habe und sich so „an das Datum genau erinnern“ könne.

Diese Daten haut ihr Anwältin Heinecke nun um die Ohren: Allein im April 2010 gebe es zahlreiche behauptete Begegnungen zwischen ihr und Ciftlik, „die absolut ausgeschlossen werden könnten“.

Und dann beginnt die Anwältin, die immer den Blick der Zeugin sucht, ihre Vorhaltungen: Einmal sei Ciftlik bei der Verleihung der „Hamburger Tulpe“ zugegen gewesen, ein andermal habe er am Krankenbett seines Neffen in der Kinderklinik gewacht. Einmal habe er in großer Runde die Verlobung mit seiner späteren Ehefrau, dann wiederum den Geburtstag seiner Mutter und schließlich den einer Bekannten gefeiert – all das stets zu Zeiten, an denen Constanze K. sich mit Ciftlik allein oder in konspirativer Runde getroffen haben will.

Von fast allen Anlässen gäbe es Dutzende Fotos und jeweils ebensoviele Zeugen, die Ciftliks Anwesenheit bestätigen könnten. „Sie bleiben bei ihren Angaben“, fragt Heinecke mit fester Stimme die Zeugin, die im ersten Verfahren gegen Ciftlik aus Liebe eine Falschaussage zu seinen Gunsten gemacht haben will. Constanze K. bleibt bei ihren Behauptungen.

Damit wird klar: Das Landgericht dürfte in der Sache noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten haben.  MARCO CARINI