Reparatur der Reparatur

THEATERWERKSTATT Im Stück „Wie Neu! Miniaturen über das Reparieren“ versucht sich das Lichthof Theater in den Werkshallen des Bahrenfelder Kolbenhofs an so etwas wie der Reparatur des Begriffs der Reparatur

Ein Reparaturdienst, der fundamental der Idee des Reparierens anhängt

VON SAMUEL MOON

Die Reparaturwerkstatt ist ein Ort, wo dem Alten, Kaputten und Aussortierten noch eine Chance gegeben wird. Die Reparatur ist in diesem Sinn eine Arbeit am Material, der etwas Eigensinniges und auch Widerständiges anhaftet. Eine Form von Optimismus und Phantasie, die sich auf jene Dinge richtet, die schon da sind. Das Produkt des Reparateurs ist nicht etwas Neues, sondern trägt den Schein des Neuen: es ist das Wunder der Wiederherstellbarkeit.

Diesem Zauber der Erneuerung sind Marc von Henning (Autor), Frank Dudden (Autor) und Susanne Reifenrath (Regie) mit ihrer Inszenierung „Wie neu!“ nachgegangen. Und er hat sie zum Kolbenhof in Hamburg-Bahrenfeld geführt – dem ehemaligen Werksgelände der Firma Kolbenschmidt, die Ende 2009 ihre Arbeit einstellte und von heute auf morgen etwa 100 Mitarbeiter auf der Straße setzte.

Dort nun, im ersten Stock eines verlassenen Verwaltungsgebäudes hat das Lichthof Theater seine provisorische Spielstätte errichtet. Unter grellem Neonlicht erblicken wir Werkbänke, Werkzeuge und ein Sammelsurium unterschiedlichster Gebrauchsgegenstände – darunter auch Mitbringsel des Publikums. Es soll also wirklich etwas gekittet werden. Aber anders als in gewöhnlichen Werkstätten wird hier auf eine spezifische Eigenbeteiligung der Kundschaft gesetzt.

Denn in diesem kleinen Zwei-Mann-und-eine-Frau-Betrieb dreht es sich um so etwas wie die Reparatur des Begriffs der Reparatur. Was kann er wirklich leisten? Was entzieht sich seinem Zugriff? Alles basale Fragen, die erörtert werden wollen. Der Reparaturdienst namens „Wie neu!“ tut dies mit szenischen Mitteln. In einer Serie von Miniaturen wird die Phantasie des Publikums bemüht. Immer wieder heißt es: „Stellen Sie sich vor…“

Nicht optimieren, sondern reparieren, lautet das Motto. Und wie bei jeder Institution des Heilsversprechens gibt es hier strengste Gebote. „Du sollst nicht wegwerfen, denn es gibt kein Weg.“ Oder: „Du darfst nicht zerstören, um etwas anderes zu reparieren.“ Wir haben es hier mit einem Reparaturdienst zu tun, der fundamental der Idee des Reparierens anhängt.

So werden nach und nach sämtliche Facetten dieses Themas aufgefächert. Mal nachdenklich, wenn es um irreparabel dysfunktionale Vater-Sohn-Beziehungen geht, mal kritisch-ambivalent, wenn der Werkstattgeselle (herausragend: Joscha Henningsen) die Idee der Psycho-Reparatur bis an ihr Ende denkt. Mit einem Mal verwandelt er sich in einen Erlösungsguru und verspricht die instantane Auslöschbarkeit von Phobien.

Klamaukig wird es hingegen, wenn die Frau im Team (Samantha Hanses) im flotten Ton beginnt, ihre körperlichen Versehrtheiten und Reparaturstellen zu offenbaren. Angefangen bei der Zahnspange führt diese Aufzählung über eine Stahlplatte am Kopf hin zu einem künstlichen Knie, mit dem sich die Oma in Italien anrufen lasse. Am Ende des Monologs hat sich das nette Werkstattmädchen in einen Science-Fiction-Androiden verwandelt, der heiter bekennt: „In meinem Körper feiern Mensch und Maschine Hochzeit!“

Susanne Reifenrath setzt mit ihrer Inszenierung „Wie neu!“ auf eine Technik der Übertreibung und Steigerung ins Absurde. Analog zu der Dudeljazzmusik, die zwischen den Szenen ertönt, werden dabei das Thema und seine Motive variiert auf Wiederholungsschleife gesetzt.

Dies hat dann selbst Werkstattcharakter. Zumal die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf Fahrstuhlmusik-Niveau zu sinken droht, wenn er nach einer Gameshow-Sequenz namens „Speed-Repair“ noch einem Superhelden-Hörspiel folgen muss, das seine eigentliche Pointe bereits im Titel („Toolman“) trägt. Wäre da nicht am Ende eine Störung eingebaut, die einen jähen Ortswechsel verlangt. Plötzlich steht man als Zuschauer inmitten der riesigen leer stehenden Werkshallen des Kolbenhofs und denkt sich, dass eine Panne zur rechten Zeit eben auch eine Form von unverhoffter Reparatur sein kann.

■ Do, 14. 6. bis Sa, 16. 6., 20.15 Uhr sowie So, 17. 6., 19 Uhr, auf dem ehemaligen Fabrikgelände, Friedensallee 128 (Kolbenhof)