Der Mini-Fußball vom Millerntor

NACHWUCHSKICKER Der FC St. Pauli meldet seine Jugendmannschaften aus dem Hamburger Spielbetrieb ab und setzt auf neue Trainingskonzepte: Drei gegen drei mit vier Toren

geboren 1941 in Hannover, ist ein 40-maliger Hockeynationalspieler, der ab 1969 als Bundestrainer die deutsche Hockeyauswahl betreute.

■ Zu Beginn der 1980er Jahre wechselte Wein als Ausbilder in den Fußball.

■ Mehr als 30 Sportbücher hat Wein veröffentlicht, darunter Ende 2011 „Spielintelligenz im Fußball – kindgemäß trainieren“.

VON MARCO CARINI

Der FC St. Pauli geht in seiner Jugendarbeit völlig neue Wege: Für die kommende Saison hat der Verein seine F- und G-Jugend-Mannschaften vom Spielbetrieb des Hamburger Fußball Verbandes (HFV) abgemeldet. „Das steht dem Club frei, doch es ist schade um jede Mannschaft, die nicht gemeldet ist“, zeigt HFV-Sprecher Carsten Byernetzki wenig Begeisterung für diesen Schritt.

Der Grund für das Ausscheren des Zweitligisten: Er will „einen eigenen Spielbetrieb“ aufbauen, der mit traditionellem Fußball nur noch wenig gemein haben wird. Statt mit sieben Spielern gegen ebenfalls sieben Gegner auf einem halben Fußballplatz sollen die Sechs- bis Achtjährigen ab August nur noch „Mini-Fußball“ spielen – drei gegen drei auf einem Kleinfeld mit gleich vier Mini-Toren, jedes nur zwei Quadratmeter groß.

Das dahinter stehende Konzept geht auf den Sportdozenten Horst Wein zurück: Durch häufigeren Ballbesitz soll „die Spielintelligenz“ und die „Wahrnehmungsfähigkeit“ der Kinder geschult, ihre „Fantasie und Kreativität geweckt werden“. Denn die Clubverantwortlichen glauben, dass „das Großfeld den kreativen, spritzigen und fantasievollen Spieler ermüdet“.

Unmittelbar vor der Sommerpause wurden die Eltern des braun-weißen Fußballnachwuchses auf einen „Informationsabend“ beordert, für den eine „zukunftsweisende Bekanntgabe“ angekündigt wurde. Wer nicht erscheine, sei „selber schuld und darf sich nachher auch nicht beschweren“, lautete die freundliche Anmoderation der Einladung. Doch auch die Kritik der Anwesenden wurde abgekanzelt. „Wer diesen Weg nicht mitgehen will, braucht das ja nicht zu tun“, machte einer der Vortragenden unverblümt klar, dass wer dieses Konzept nicht gutheiße, für seine Kinder gleich einen neuen Club suchen könne.

Zudem wurde den Eltern eine baldige Ausweitung des Konzepts auch in höheren Jahrgängen – dann vier gegen vier oder fünf gegen fünf – avisiert. FC St. Pauli-Medienchef Christian Bönig aber tritt auf die Bremse: Der Mini-Fußball bei den Sechs- bis Achtjährigen sei „ein Pilotprojekt“, die anderen Jugendteams blieben „hiervon unberührt“.

Die Umstellung des Spielbetriebs ist eine weitere Konsequenz der Ausrichtung auf Leistungs-Fußball beim Kiezclub. Seit Jahren werben die Späher des FC St. Pauli talentierte Nachwuchskicker schon im Grundschulalter von Nachbarclubs ab.

Doch verfügt der Verein nur über wenige Jugendmannschaften. Nach der E-Jugend, wo die Neun- bis Elfjährigen kicken, gibt es nur noch eine Mannschaft pro Jahrgang. Wer dann zu schlecht für das erste Team ist, muss sich einen neuen Verein suchen, was meist zu einem tränenreichen Abschied führt.

„Der Club setzt nur auf Leistung, nicht auf Breitensport“, klagt der Vater eines Jungen, der in Zukunft sein Heil im Mini-Fußball suchen wird. Bönig hält dagegen: „Wir wollen Breitensport beim FC St. Pauli, aber wir haben nicht genügend Plätze für den Trainings- und Spielbetrieb von mehreren Teams.“