Kauziger Besessener

SALSA Eddie Palmieri ist der ungekrönte König am Salsa-Piano. Mit dissonanten Spiel und knallharten Arrangements hat sich der New Yorker Kult-Status erarbeitet. Sonntag bittet die Legende im Rahmen des Sommerfestivals auf Kampnagel zum Tanz

Palmieris Conjunte La Perfecta war in der Latin-Szene New Yorks das Maß aller Dinge

VON KNUT HENKEL

Meist sitzt der Coach rechts außen in zweiter Reihe auf der Bühne. Von da hat Eddie Palmieri seine elfköpfige Mannschaft bestens im Blick und mit einem Zwinkern, einem Akkord oder einer Kaskade von Pianotönen dirigiert er sein Orchester. Das hat Format und dem Ensemble eilt genauso wie dem kleinen, rundlichen Maestro mit dem grauen Haarkrank um den blanken Schädel ein Ruf voraus. Eddie Palmieri ist einer der wenigen noch aktiven Giganten der ersten Stunde der Latin-Szene.

Gemeinsam mit Celia Cruz, Willie Colón und all den anderen Leuchten der Fania All Stars stand der heute 75-jährige Derwisch am Piano immer wieder auf der Bühne. Er ist ähnlich wie der legendäre Benny Moré, der größte Sonero Kubas, ein Barbar des Rhythmus. Genau wie der lang verstorbene Kubaner, ein Sänger und Arrangeur der Extraklasse, hat Palmieri eine diebische Freude daran, die Rhythmen und Harmonien seiner Kompositionen am Klavier gleich wieder zu dekonstruieren. Für die Tänzer eine Herausforderung, für den überaus agilen Rentner der Salsa ein Jungbrunnen. Gleichwohl hat sich Palmieri Anfang dieses Jahrtausends noch ganz offiziell aufs Altenteil zurückgezogen. Aus gutem Grund, denn schließlich lief damals der Reggaeton der Salsa den Rang ab und drohte sie aus den Clubs und Kaschemmen zwischen New York und Buenos Aires zu verdrängen.

New York ist die Stadt, in der Eddie Palmieri 1936 als Sohn eines Ehepaars aus Puerto Rico geboren wurde und schon als Knirps angefangen hat Schlagzeilen zu machen. Mit elf trat der Halbwüchsige aus Spanish Harlem in der Carnegie Hall auf, mit 14 gründete er seine erste Band, spielte später bei Mambo-King Tito Rodríguez, bevor er Anfang der 60er Jahre sein Conjunte La Perfecta gründete.

Das achtköpfige Ensemble, dem zwei Posaunisten angehörten, die mit ihren glasklaren Sets für zusätzlichen Drive sorgten, war in der Latin-Szene New Yorks das Maß aller Dinge. Darüber kann sich Eddie Palmieri noch heute diebisch freuen. „Die anderen hatten ihre Big Bands, aber ich hatte ein achtköpfiges Conjunto, das war so heavy – Mann, wir haben sie alle die Wände hochgejagd“, erklärte der alte Mann jüngst kichernd in einem Interview. Der rüstige rundliche Rentner kann es ohnehin nicht lassen und so hat er vor ein paar Jahren seinen Rückzug aufs Altenteil rückgängig gemacht und „La Perfecta“ nach gut dreißigjähriger Pause wieder auferstehen lassen – mit ein paar der Schwergewichten der Branche wie Jimmy Bosch.

Dessen Spiel an der Posaune bürgt genauso für Qualität wie jenes von Brian Lynch an der Trompete oder Vincent „Little Johnny‘‘ Rivero an den Congas. Großartige Musiker, die Palmieri um sich geschart hat und mit denen er vor ein paar Monaten sein fünfzigstes Jubiläum als Bandleader gefeiert hat. Wo? Im Copacabana, einem der ältesten und feinsten Clubs New Yorks. Dort ist der unstete Rentner, der nicht nur als grandioser Salsero, sondern auch als Jazz-Musiker unter anderem neun Grammies bekommen hat, ein gern gesehener Gast und Konzerte machen dem Großmeister der dissonanten Piano-Salven nach wie vor großen Spaß. Das dürfte sich am Sonntag bei Auftritt auf Kampnagel wiederholen, denn Palmieri ist ein etwas kauziger Besessener.

■ So, 12. 8., 21 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20