Vor dem Spiel Italien - Frankreich: Ende einer Fußball-Revolution?

Gibt Weltmeister Italien gegen Frankreich seine Neuerfindung durch Donadoni auf? Ginge es nach der Presse, müsste WM-Trainer Lippi wieder ran.

Allein auf weiter Flur: Italiens Coach Roberto Donadoni. Bild: rtr

ZÜRICH taz Es ist der typische Reflex. Wenn irgendetwas schiefläuft, dann wird nach den Rezepten der Vergangenheit geschrien, und so behauptet die Gazetta dello Sport bereits, der Nachfolger für Italiens Fußballnationaltrainer Roberto Donadoni stehe längst fest. Es ist, wen wunderts, Marcello Lippi. Der Altmeister hat die Azzurri 2006 zum WM-Titel geführt, sein Vertrag sei nur noch Formsache, schreibt das rosafarbene Blatt. Es wäre das schnelle Ende einer kleinen italienischen Revolution.

Denn Donadoni würde Italien gerne neu erfinden. Er will offensiver spielen, attraktiver, dominanter, rasanter, so wie es der Zeitgeist des Fußballs verlangt. Er selbst spielte in den 80ern und 90ern unter dem legendären Arrigo Sacchi in der bisweilen zauberhaften Mannschaft des AC Milan. Auch deren Spiel galt als Revolution, und das Denken dieser Ära hat Donadoni geprägt. Die von Italiens ewigem Catenaccio gelangweilte Fußballwelt wird es ihm vielleicht irgendwann danken, ebenso denkbar ist aber, dass der Erneuerer schon heute Abend stürzt. Italien wäre der erste Weltmeister, der in der Vorrunde einer EM ausscheidet.

Luca Toni sagt dennoch, der Trainer werde zu Unrecht an den Pranger gestellt. Schließlich ist es nicht Donadonis Schuld, dass der Münchner nicht wie in der Bundesliga eine halbe Chance für ein Tor braucht, sondern zehn. Wären die italienischen Stürmer ähnlich effektiv wie in ihren Klubs, dann hätte ihr Team Rumänien wahrscheinlich in einem hinreißenden Spiel mit 5:3 besiegt, und alle Welt schwärmte von den neuen Italienern. So wie jetzt von den neuen Holländern geschwärmt wird, oder bei der WM 2006 von den neuen Deutschen.

Donadoni hat es jedoch schwerer als Klinsmann. Die Fußballnation lag am Boden, Klinsmann konnte daher alles umstoßen. Gegenüber Weltmeistern verbietet sich das. Elf der vierzehn im WM-Finale von Lippi eingesetzten Spieler stehen immer noch im Kader, nur der verletzte Cannavaro, der zurückgetretene Totti sowie Iaquinta sind nicht mehr dabei. Dennoch ist alles anders. Bei der WM kassierte Italien auf dem Weg zum Turniersieg zwei Gegentreffer - ein Eigentor und einen Elfmeter. Nun sind es nach zwei Partien schon vier, bei nur einem eigenen Tor.

Die große Frage ist nun, ob Donadoni heute gegen Frankreich seine neu erfundenen Italiener auflaufen lässt, oder ob er zurückkehrt zur Tradition. Schon nach dem 0:3 gegen Holland baute er die Mannschaft auf fünf Positionen um, ziemlich genau so, wie die Experten es vorgeschlagen hatten. Jetzt fordern sie alle eine kompaktere Defensive.

Es ist eben unglaublich schwer, eine nationale Fußballkultur zu verändern, und seien die Motive noch so überzeugend. Vielleicht liegt der wahre Grund für Italiens Probleme aber auch jenseits all dieser Diskussionen um Philosophie und Taktik. Die italienischen Weltmeister könnten einfach ihren Zenit überschritten haben.

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