Die EM-Kniffs von Holland und Spanien: Tempofußball in Präzision

Es ist das zentimetergenaue Zuspiel in die Spitze, das die ausgezeichneten Teams wie Holland und Spanien von den guten unterscheidet.

Die Niederländer Sneijder, Mathijsen und van Nistelrooy feiern ihr Tor gegen Weltmeister Italien. Bild: ap

TENERO taz Es ist eines der wichtigsten Worte dieser Europameisterschaft: Schnittstelle. Immer wieder freuen sich die TV-Experten (Jürgen Klopp, Toni Polster, Volker Finke) über gelungene Pässe "in die Schnittstelle der Abwehr". Das präzise Zuspiel zwischen zwei Verteidiger der Viererkette hindurch auf einen Stürmer in der Vorwärtsbewegung lässt die Analytikerherzen höher schlagen. Doch bei weitem nicht alle Mannschaften bei dieser Euro beherrschen das Spiel durch die Abwehrreihe hindurch. Es ist die Präzision des Passspiels in die Spitze, das die ausgezeichneten Mannschaften von den guten unterscheidet. Das beinahe zentimetergenaue Zuspiel ist im modernen Fußball entscheidend.

Es reicht nicht mehr, sich im Mittelfeld Dominanz zu verschaffen, die Bälle immer wieder nach vorne zu schleppen, und sie irgendwie in den Strafraum zu bugsieren, so lange bis der gegnerischen Abwehr ein entscheidender Fehler unterläuft. Die Franzosen sind auf diese Weise noch Vizeweltmeister geworden - und sind gelobt worden für die hohe Kunst der langsamen, strategischen Spielverlagerung nach vorne. Gegen eine Hochgeschwindigkeitsmannschaft wie die Niederlande war Frankreichs Elf ohne Chance. Die Abwehrreihen sind in allen großen Mannschaften mittlerweile wohl organisiert. Die Viererketten stehen. Hinten tut sich taktisch nicht mehr viel, das hat auch Joachim Löw immer wieder gesagt. Die Spiele werden nicht mehr alleine hinten entschieden, wovon noch vor zwei Jahren ausgegangen wurde. Moderne Spitzenteams entscheiden die Spiele in der Offensive, durch Tempofußball mit allerhöchster Präzision.

So wie es die Niederländer bei ihren zwei fantastischen Siegen gemacht haben. Wenn sie einen Konter starten, dann läuft der Ball wie am Schnürchen gezogen. Blitzschnell werden die Pässe geschlagen. Da muss kein Spieler abstoppen, noch einmal schnell die Richtung wechseln. Der Ball landet genau da, wo er hin soll. Es handelt sich meistens um flache, scharfe Pässe. Die Angriffe, organisiert von Rafael van der Vaart oder Wesley Sneijder, wirken, als seien sie vor dem Spiel vom Trainer genau so aufgezeichnet worden. Könnten die Coaches dieser Teams Auszeiten nehmen, man müsste sich nicht wundern, wenn sie - Basketballtrainern gleich - aufzeichnen würden, wie der nächste Spielzug auszusehen hat.

Auch die Spanier haben vorgeführt, was vor ein paar Jahren noch als undenkbar bezeichnet wurde: die beinahe 100-prozentige Planbarkeit von Spielzügen. Sie haben eine Art Two-Touch-Fußball erfunden. Da wird gestoppt und sofort weitergespielt. Das klappt im Konterspiel ebenso wie im normalen Spielaufbau. Xavi Hernandes und Andres Iniesta behalten dabei den Überblick. Sie haben die Fähigkeit, den richtigen Zeitpunkt für einen Pass in die so viel besprochene Schnittstelle zu erkennen. Sehen sie keine Möglichkeit für einen vertikalen Pass, dann schicken sie den Ball um den gegnerischen Strafraum herum. Der Ball läuft um den 16er wie ein Handball um den Siebenmeterraum. Auch das ist Präzision. Nur die besten Techniker können ein derart genaues Spiel, das bei diesem Turnier in Ansätzen auch Portugal, Russland und Rumänien gezeigt haben, aufziehen. Dribblings mögen immer noch schön anzusehen sein, der Paradetechniker von heute aber hat vor allem eines zu beherrschen: genau, den Pass in die Schnittstelle der Abwehr. ARUE

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.