Im „Vogelnest“ hat es sich ausgezwitschert

CHINA Das Pekinger Olympiastadion steht heute leer. Alle Versuche der Regierung, der Sportstätte zu neuem Ruhm zu verhelfen, sind bislang gescheitert. Immerhin kommen noch Touristen

PEKING taz | Zumindest einmal wollte das Pekinger Olympia-Stadion, im Volksmund auch „Vogelnest“ genannt, noch in altem Glanz erstrahlen. Zu Ehren der Pekinger Spiele vor vier Jahren standen sich am Freitag dem 27. Juli der Londoner FC Arsenal und der englischen Fußballmeister Manchester City im Pekinger Stadion gegenüber, sechseinhalb Stunden bevor in London das weltgrößte Sportereignis eröffnet wurde. Doch Stimmung wie im Sommer 2008 wollte nicht mehr so recht aufkommen.

Nicht nur, dass es in Peking mal wieder in Strömen regnete, nachdem die chinesische Hauptstadt ohnehin seit Tagen unter den schlimmsten Regenfällen seit 60 Jahren leidet. Mit 0:2 unterlag Arsenal den „Blues“ auch noch – an diesem Abend sympathisierten auch die meisten Pekinger eher mit dem Londoner Traditionsteam als der Mannschaft aus Manchester.

Entsprechend schlecht war die Laune. „Das liegt am schlechten Fengshui des Stadions“, sagt Zhang Weide, der sich das Spiel angesehen hatte. Für ihn stand das Gebäude von Beginn an unter schlechtem Vorzeichen.

Das „Vogelnest“ und der daneben stehende „Wasserwürfel“, wo die Schwimmwettkämpfe stattfanden, sind die bekanntesten Bauwerke der Olympischen Spiele von Peking 2008. Das großzügig gebaute Gelände nördlich des dritten Ringes in der chinesischen Hauptstadt wirkt vier Jahre später zwar nahezu unverändert, aber auch weitgehend verlassen. Das Schwimmstadion hat die Stadtregierung immerhin zum Spaßbad umgebaut, nachdem es zwei Jahre außer für Werbegroßveranstaltungen für Volkswagen kaum genutzt wurde. Das Nationalstadion steht hingegen praktisch leer.

Dabei hat die Pekinger Regierung immer wieder versucht, dem „Vogelnest“ zu neuem Ruhm zu verhelfen. Zweimal wurde der italienische Supercup dort ausgetragen, beim Race of the Champions heizten 2009 auch mal Michael Schumacher und Sebastian Vettel durch das Stadion. Und einmal fand die Oper „Turandot“ in dem riesigen Gebäude statt, das auf den Zuschauerrängen 90.000 Menschen Platz bietet.

Eine regelmäßige Veranstaltung konnte sich aber bis heute nicht etablieren. Pläne der Stadtoberen, den Pekinger Fußballverein Guo’an seine Heimspiele dort bestreiten zu lassen, kamen nicht zustande.

Die Betreiber versuchen nun über saftigen Eintritt zumindest den Betrieb aufrechtzuerhalten. Fünfzig Yuan kostet der Einlass, umgerechnet rund 6,35 Euro. Und immerhin sind es derzeit immer noch 20.000 bis 30.000 Touristen am Tag, die wegen der Architektur kommen.

Ausgerechnet Chinas wohl bekanntester Künstler und Regimekritiker Ai Weiwei hat das „Vogelnest“ maßgeblich gestaltet. Aus Furcht vor einer angeblichen Anzettelung von Protesten hatten Behörden ihn 2011 jedoch für zwei Monate verhaftet und ihn anschließend unter Hausarrest gestellt. Das hinterlässt nun auch bei vielen Besuchern einen bitteren Nachgeschmack.

Mit etwas Neid hat sich Zhang Weide am Freitagnacht die Eröffnungsfeier in London angeschaut. „Die Engländer wirkten sehr viel ausgelassener und irgendwie auch glücklicher als wir damals“, sagt Zhang. „Und zwar mit weit weniger Pomp.“ FELIX LEE