„Quoten sind der falsche Weg“

DISKRIMINIERUNG Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) hat eine neue Leiterin. Im Interview verspricht Christine Lüders, sie werde vieles anders machen als ihre umstrittene Vorgängerin Martina Köppen. Quotenregelungen lehnt sie jedoch ebenfalls ab

INTERVIEW HEIDE OESTREICH

taz: Frau Lüders, Ihre Vorgängerin traf sich gern mit Wirtschaftsvertretern im Hotel Adlon. Ist das auch Ihr Stil?

Christine Lüders: Der Schwerpunkt meiner Arbeit wird zweifellos nicht im Adlon liegen.

An der Amtsauffassung von Frau Köppen ist harsche Kritik geübt worden: Sie hat Bischof Lehmann mit Telekom-Chef René Obermann darüber parlieren lassen, wie wichtig die christliche Ethik für die Wirtschaft ist. Das Ganze kostete 100.000 Euro. Werden Sie so etwas fortsetzen?

Es lohnt sich immer, mit Kardinal Lehmann und Herrn Obermann zu sprechen. Ich glaube allerdings, dass wir uns in Zukunft preisbewusst austauschen werden.

Frau Köppen hat einen „Pakt mit der Wirtschaft“ geschlossen. Die konnte dann gut bezahlt erklären, für wie unwichtig sie das Gesetz hält. Wollen Sie das fortsetzen?

Man kann das eine tun, ohne das andere zu lassen. Es ist die Hauptaufgabe der Antidiskriminierungsstelle, die Betroffenen zu unterstützen. Deshalb strebe ich zusätzlich zu unserer Beratungsarbeit eine bessere Vernetzung mit kommunalen Beratungsstellen an. Darüber hinaus sind Kontakte mit der Wirtschaft wichtig und notwendig, um eine Kultur der Nichtdiskriminierung durchsetzen zu können.

Ihre Stelle sollte Betroffene unterstützen. Aber Silke Kühne, die die Gema verklagt hat, weil ein Mitbewerber bevorzugt wurde, hörte von der Antidiskriminierungsstelle (ADS) den Rat, das Klagen lieber sein zu lassen. Inzwischen hat sie im Alleingang gegen die Gema gewonnen.

Natürlich können wir nicht wollen, dass sich von Diskriminierung Betroffene von der ADS schlecht beraten fühlen. Genau das Gegenteil möchten wir erreichen.

Es gibt nach drei Jahren ADS noch nicht mal eine Urteilssammlung zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Wäre das nicht das Minimum, um zu zeigen, dass die Stelle sich für das Gesetz interessiert, das sie zu vertreten hat?

Es liegt viel Arbeit vor mir und meinem Team. Wir haben die Rechtsprechung bereits aufgearbeitet und werden sie schnellstmöglich veröffentlichen.

Im Koalitionsvertrag heißt es: „Das geltende AGG werden wir im Hinblick auf einen möglichen Abbau von Bürokratielasten überprüfen.“ Wo sehen Sie Bürokratielasten des Gleichbehandlungsgesetzes?

Viele Befürchtungen, insbesondere aus der Wirtschaft, über enorme Belastungen durch das AGG haben sich als unbegründet erwiesen. Die befürchtete Klagewelle ist ausgeblieben. Ich glaube, wir können heute ideologiebefreiter über Vielfalt in unserer Gesellschaft sprechen.

Das Sinus-Institut hat eine ziemlich erschreckende Studie für die Antidiskriminierungsstelle erstellt: So interessieren sich die Deutschen generell nicht dafür, ob Homosexuelle oder MigrantInnen diskriminiert werden. Sie sehen diese Gruppen schlicht nicht als Teil der Gesellschaft an.

Erschreckend sind die Ergebnisse der Studie für die Gesellschaft. Wir müssen und wir werden klarmachen, dass Antidiskriminierung allen hilft. Ausgrenzung ist immer auch Verzicht auf Talente. Diese Studie ist wirklich hilfreich: Darauf kann man jetzt aufbauen und viel gezielter Präventionsarbeit leisten.

Was halten Sie von Migrantenquoten, wie sie die Türkische Gemeinde fordert?

Unser Bestreben muss es sein, Quoten überflüssig zu machen. Allein mit der Quote – egal in welchem Bereich – wird Diskriminierung nicht vermieden.

Es gibt doch gar keine Quoten. Wollen Sie welche?

Aus meiner Sicht ist die Einführung von Quoten nicht der richtige Weg, um Diskriminierung zu verhindern.

Werden Sie sich für ein Verbandsklagerecht einsetzen, damit Menschen wie Silke Kühne nicht mehr als Einzelkämpferin auftreten müssen?

Ich werde mich mit den Verbänden sehr intensiv darüber austauschen. Letztlich liegt die Entscheidung darüber ja ohnehin beim Gesetzgeber.