Milliarden-Rettung jetzt auch demokratisch

BUNDESTAG Koalition legt Vorschlag vor, wie der Bundestag beim Eurorettungsschirm ESM mitreden darf. Sie geht auf Kritik des Verfassungsgerichts ein: „Neuner-Gremium“ darf nur noch selten entscheiden

BERLIN taz | Die Bundestagsfraktionen von Union und FDP wollen das Parlament weitgehend an Entscheidungen des Eurorettungsschirms ESM beteiligen. Ein Gesetzentwurf, der der taz vorliegt, sieht ein mehrstufiges Verfahren vor: Das gesamte Plenum muss grundsätzlichen Entscheidungen zustimmen, etwa wenn der ESM ein neues Hilfsprogramm beschließt. Der Haushaltsausschuss des Bundestags begleitet Programme – und beschließt Änderungen. Und ein Sondergremium, in dem neun Abgeordnete sitzen, soll dann tätig werden, wenn der ESM Anleihen auf dem Sekundärmarkt aufkauft.

Der Vorschlag der Koalition ist ein wichtiger Schritt, um das Parlament an milliardenschweren Entscheidungen in der Krise zu beteiligen: Der ESM soll ab Juli in Kraft treten und am Ende über ein Volumen von über 700 Milliarden Euro verfügen. Der deutsche Anteil liegt bei 22 Milliarden eingezahltem und 168 Milliarden abrufbarem Kapital.

Besonders das Neuner-Gremium ist dabei brisant. Das Verfassungsgericht hatte es Ende Februar beim EFSF – dem Vorgänger des ESM – im Wesentlichen für verfassungswidrig erklärt. Ein kleiner und vertraulicher Kreis, so die ursprüngliche Idee, sollte eilige Entscheidungen treffen – und solche, bei denen Geheimhaltung nötig sei. Die Karlsruher Richter sahen darin eine unzulässige Beschneidung der Rechte aller Abgeordneten.

Der aktuelle Entwurf geht auf diese Kritik ein. Die Richter hatten Entscheidungen des Neuner-Gremiums bei Anleihekäufen auf dem Sekundärmarkt ausdrücklich zugelassen. Hier ist Geheimhaltung sinnvoll: Würde erst das Parlament debattieren, ob der Rettungsschirm Anleihen eines überschuldeten Staates kaufen soll, würden die Zinsen an den Finanzmärkten hochschießen – und Milliarden Euro Steuergeld wären verschwendet. Man setze mit dem Entwurf genau die Vorgaben aus Karlsruhe um, schrieb Unions-Haushälter Norbert Barthle in einem Brief an die Abgeordneten seiner Fraktion. „Grundsätzliches ins Plenum, Technisches in den Haushaltsausschuss und Vertrauliches ins Sondergremium.“

Er kündigte Gespräche mit der Opposition an, um einen „möglichst breiten Konsens“ zu erreichen. Eine Zustimmung von SPD und Grünen ist wahrscheinlich. Bereits am Freitag hatte der Bundestag die Beteiligungsregeln für den EFSF an die Karlsruher Vorgaben angepasst – mit den Stimmen von Union, FDP, SPD und Grünen.

ULRICH SCHULTE