Nichts als Scherereien

NSU-PROZESS Wie unser neuer Bayern-Korrespondent sich für das Verfahren nachakkreditieren lassen wollte – und an der Bürokratie scheiterte

Manchmal kommt ein Hamburger Kollege. Hoffentlich ist er beim Urteil nicht verhindert

AUS MÜNCHEN TOBIAS SCHULZE

Dieser Text ist eine Warnung. An arbeitslose Journalisten, die jeden Auftrag annehmen würden, weil ihnen derzeit niemand einen anständigen Job anbietet. Die sogar bereit wären, für eine mittellose Tageszeitung gegen eine mickrige Pauschale Bayern-Korrespondent zu werden. Diese Journalisten warne ich eindringlich: Lasst es bleiben. Das gibt nichts als Scherereien mit dem Oberlandesgericht München.

Vor zwei Wochen rief ich wegen Beate Zschäpe die Pressestelle an. „Grüß Gott!“, sagte ich. „Schulze mein Name, ich würde mich gerne für den NSU-Prozess anmelden.“ Das müsse schon irgendwie klappen, dachte ich, immerhin hatte ich gute Gründe. Die Dame von der Pressestelle klang aber sehr entschieden, als sie antwortete: „Nachakkreditierungen sind ausgeschlossen.“

Seit Anfang Dezember berichte ich als Korrespondent für die taz aus Bayern. Über die CSU, den Landtag und eben über den NSU-Prozess. Dreimal pro Woche tagt das Gericht; mein Ressortleiter wünscht, dass ich so oft wie möglich vor Ort bin. Das alles erklärte ich der Dame von der Pressestelle. Vergeblich. „Tut mir leid“, sagte sie. „Nachakkreditierungen sind absolut ausgeschlossen.“

Dass das Gericht keine Lust mehr hat, Journalisten für irgendwas zu akkreditieren, verstehe ich. Das Anmeldeverfahren zum Prozess löste im März eine diplomatische Krise aus: Das Gericht hatte keinem einzigen Medium aus dem Ausland einen festen Platz auf der Pressetribüne zugewiesen. Die türkische Regierung zweifelte daher an der Unabhängigkeit der Richter. Das Bundesverfassungsgericht ordnete an, das Akkreditierungsverfahren zu wiederholen.

Die taz hatte damals Glück und erhielt über Umwege eine der 50 Platzkarten. Journalisten, die so eine Karte mitbringen und persönlich zum Prozess akkreditiert sind, kommen immer in den Saal. Selbst an Verhandlungstagen mit großem Ansturm. Und hier beginnt das Problem: Weil ich nicht persönlich akkreditiert bin, nutzt mir auch die Platzkarte nichts.

„Nachakkreditierungen sind wirklich absolut ausgeschlossen“, sagte mir die Dame am Telefon noch einmal.

– „Der Prozess dauert drei Jahre!“, antwortete ich.

– „Im März haben wir den Redaktionen gesagt: Meldet lieber zu viele Leute an als zu wenig.“

– „Damals wusste die taz noch nichts von mir.“

– „Die Regeln gelten für alle. Die ARD hat das gleiche Problem.“

– „Die ARD hat 3.000 Mitarbeiter in Bayern. Die taz nur einen.“

Der Einwand nützte auch nichts. Die Regelung hat laut Gericht „vor allem sicherheitstechnische, aber auch organisatorische Gründe“. Immerhin: Wer einen Presseausweis vorzeigt, darf sein Laptop mitnehmen und während der Verhandlung an seinen Artikeln arbeiten. Auch ohne Akkreditierung.

Wenn er denn einen Platz bekommt. Treten wichtige Zeugen auf, sind die Presseplätze schnell besetzt. An solchen Tagen kommt manchmal ein taz-Kollege per Nachtzug aus Hamburg, er ist akkreditiert und kann die Platzkarte nutzen. Ich hoffe, dass er am Tag der Urteilsverkündung nicht verhindert ist. Ansonsten müsste ich schon abends vor dem Gericht stehen, ehe die Schlange zu lang wird. Ich würde mir ein paar Käsebrote mitbringen und einen Schlafsack. Bevor das Gebäude frühmorgens geöffnet wird, könnte ich dann vor der Tür ein paar Stunden …

Nein, das geht auch nicht. Die Gerichtsvizepräsidentin erließ im April eine Verfügung: „Regelungen aufgrund des Strafverfahrens gegen Beate Z. und andere.“ Darin steht unmissverständlich: „Das Lagern und Campieren auf dem Gelände des Strafjustizzentrums ist verboten.“