Überschaubares Risiko

JUSTIZ Weg mit dem ESM, dem Euro- Rettungsschirm? Nö, sagt das Bundesverfassungs- gericht. Und wendet sich damit gegen eine Massenklage

Deutschland haftet beim ESM mit 190 Milliarden Euro

AUS KARLSRUHE CHRISTIAN RATH

Das Bundesverfassungsgericht hat den Euro-Rettungsschirm ESM endgültig gebilligt. Abgelehnt wurden damit Verfassungsklagen des CSU-Abgeordneten Peter Gauweiler, der Linksfraktion im Bundestag und des Vereins Mehr Demokratie (mit 37.000 Unterstützern).

Der ESM ist eine Art Bank. Er soll Euro-Staaten helfen, wenn sie Probleme haben, sich am normalen Kapitalmarkt zu erträglichen Zinsen zu finanzieren. Der ESM wird von allen 18 EU-Staaten getragen, die den Euro eingeführt haben. Der Fonds hat ein potenzielles Gesamtvolumen von 700 Millarden Euro, die Abkürzung ESM steht für: Europäischer Stabilitätsmechanismus.

Bisher musste der ESM erst zwei Staaten mit Darlehen helfen: Zypern und Spanien.

Laut Vertrag haftet Deutschland für 27 Prozent der Summe von 700 Milliarden Euro, also mit 190 Milliarden Euro. Eingezahlt hat Deutschland bisher aber erst 22 Milliarden Euro. Die Kläger sahen dennoch ein unüberschaubares Risiko für Deutschland, das die Handlungsfähigkeit des Bundestags auf Jahre ausschalten könnte. Die Zustimmung des Bundestags zum ESM-Vertrag verstoße daher gegen das Demokratieprinzip und das Wahlrecht. Schon vor Inkrafttreten des ESM-Vertrags hat das Bundesverfassungsgericht in einem Eilverfahren im September 2012 den ESM geprüft und grünes Licht erteilt. Es gab nur zwei Auflagen: Die Haftungssumme für Deutschland darf ohne Zustimmung des Bundestags 190 Milliarden Euro nicht übersteigen. Und der ESM muss den Abgeordneten alle notwendigen Auskünfte geben.

Zwischenzeitlich wurde das Verfahren von den Klägern noch in eine neue Richtung gedreht – gegen die Europäsiche Zentralbank (EZB). EZB-Chef Mario Draghi hatte zunächst angekündigt, die EZB werde den Euro retten, „wie auch immer“. Im September 2012 beschloss die Bank dann, sie werde Staatsanleihen in unbeschränkter Höhe ankaufen. Ob sich die EZB hier an ihre vertraglichen Kompetenzen hielt, bezweifelt auch das Bundesverfassungsgericht. Anfang März hat es diese Frage abgetrennt und dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg zur Klärung vorgelegt. Eine Antwort wird wohl erst nächstes Jahr erfolgen.

Karlsruhe beendete am Dienstag aber schon einmal das eigentliche ESM-Verfahren, indem es – wenig überraschend – die Klagen von Gauweiler, Linken und „Mehr Demokratie“ nun endgültig abwies.

Interessant war dabei vor allem eine Frage: Wie kann verhindert werden, dass Deutschland sein Stimmrecht im ESM verliert, weil es seinen Zahlungsverpflichtungen nicht schnell genug nachkommt? Die Kläger hatten befürchtet, dass böswillige Miteuropäer eine solche Situation ausnutzen könnten, um dann die Haftungssummen für Deutschland ins Unermessliche zu steigern. Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verschwörungstheorien immerhin ernst und forderte Vorkehrungen: So müsse eine Notbewilligung durch den Finanzminister (also ohne den Bundestag) auf Notfälle beschränkt bleiben.