Mitglied des Berliner K.O.M.I.T.E.E. verhaftet

ANTIRASSISMUS Kurz vor der Verjährung seiner Taten wird in Venezuela das Mitglied einer militanten Gruppe festgenommen

„Die Aktionen waren Teil des legitimen Widerstands“

HELGA SEYB

VON WOLF-DIETER VOGEL

BERLIN taz | Fast zwanzig Jahre war er auf der Flucht, nun wurde der deutsche Staatsbürger Bernhard H. in Venezuela festgenommen. Der 53-Jährige soll einer linken militanten Gruppe angehört haben, die Mitte der neunziger Jahre im Großraum Berlin zwei Anschläge verübt hat.

Zielfahnder des Bundeskriminalamtes (BKA) haben den von Interpol gesuchten Mann enttarnt. Festgenommen wurde er am 7. Juli von venezolanischen Sicherheitskräften auf einem Hotelparkplatz in der Stadt Mérida. Wie der Sprecher der Bundesanwaltschaft (BAW) Marcus Köhler gegenüber der taz bestätigte, hat die Karlsruher Behörde die Auslieferung beantragt.

H. soll gemeinsam mit den ebenfalls flüchtigen Peter K. und Thomas W. als Mitglied der Gruppe „Das K.O.M.I.T.E.E.“ für einen Anschlag auf ein Bundeswehrgebäude in Bad Freienwalde im Oktober 1994 sowie für die gescheiterte Sprengung des damals im Umbau befindlichen Abschiebegefängnisses in Berlin-Grünau im April 1995 verantwortlich sein. „Die tragende Substanz des Hauptgebäudes sollte soweit zerstört werden, dass aufgrund der statischen Schäden der gesamte Knast hätte abgerissen werden müssen“, schrieb die Gruppe über den geplanten Anschlag, der sich gegen die deutsche Asylpolitik richten sollte. Die Aktion ging schief – ein Fahrzeug samt Bombe wurde vorzeitig entdeckt.

Die Männer tauchten daraufhin ab. Seither fahndet das Bundeskriminalamt nach den mutmaßlichen Bombenlegern. Zahlreiche Menschen aus deren Umfeld erhielten über Jahre hinweg Vorladungen zur Vernehmung. Für den Fall, dass sie nicht aussagen, drohte ihnen Beugehaft. Auch Telefone von Rechtsanwälten wurden abgehört. Dennoch kamen die Fahnder den Flüchtigen nicht auf die Spur. In einem Eintrag auf seiner Webseite hatte das BKA bereits veröffentlicht, man vermute die Gesuchten in Südamerika. Die Behörde verweist auf Kontakte der drei zu ehemaligen Unterstützern der Rote Armee Fraktion (RAF) sowie eine „verstärkte Reisetätigkeit von Personen aus der Berliner Szene in südamerikanische Länder“. Beide Erklärungen dürften vor allem dem Interesse geschuldet sein, das tatsächliche Vorgehen der Fahnder zu vertuschen.

Nach Informationen der venezolanischen Tageszeitung El Nacional lebte H. mehrere Jahre in Kolumbien, bevor er nach Venezuela ging. Die Anwältin des Festgenommenen sagte, sie sei bislang von niemandem informiert worden. BAW-Sprecher Kohler verweist darauf, dass seine Behörde dafür nicht zuständig sei. „Ich gehe davon aus, dass der Festgenommene in Venezuela das Recht hat, seinen Anwalt zu kontaktieren“, erklärt er.

Ob oder wann H. nach Deutschland ausgeliefert wird, ist bislang noch unklar. Zwischen den beiden Staaten existiert kein Auslieferungsabkommen, alles hängt an den venezolanischen Behörden. Allerdings spricht die Bereitschaft der Regierung des „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“, BKA-Zielfahnder auf ihrem Staatsgebiet agieren zu lassen, dafür, dass H. den deutschen Strafverfolgern übergeben wird. Für den Fall einer Verurteilung droht dem Beschuldigten eine mehrjährige Haftstrafe. In wenigen Monaten wären die Strafvorwürfe wohl verjährt gewesen.

In der antirassistischen Szene stießen militante Aktionen gegen die staatliche Flüchtlingspolitik auf positiven Widerhall, solange sie nur darauf ausgerichtet waren, Sachschaden zu verursachen. Zwei Jahre nach der faktischen Abschaffung des Asylrechts sei der geplante Anschlag des „K.O.M.I.T.E.E.“ ein sinnvoller Hinweis auf das brutale Asylregime gewesen, erklärt etwa Helga Seyb, die damals wie heute in antirassistischen Organisationen arbeitet: „Die Aktionen waren Teil des legitimen Widerstands.“