Hände weg vom Detektiv!

ARBEITSRECHT Arbeitgeber dürfen Beschäftigte nicht ins Blaue hinein von einem Detektiv beschatten lassen, entschied jetzt das Bundesarbeitsgericht

VON CHRISTIAN RATH

FREIBURG taz | Arbeitgeber dürfen kranke Beschäftigte nur bei einem konkreten Betrugsverdacht per Detektiv überwachen lassen. Das entschied jetzt das Bundesarbeitsgericht in einem Fall aus Münster.

Im konkreten Fall hatte die neue Chefsekretärin im Dezember 2011 eine kleine Auseinandersetzung mit ihrem Chef. Dieser fand, sie habe angeforderte Unterlagen zu spät herausgesucht. Zwei Wochen später meldete sich die Sekretärin krank, zunächst mit Bronchitis, später mit einem Bandscheibenvorfall.

Dem Chef kam das komisch vor, und er fragte seinen Bruder, einen Arzt, um Rat. Dieser meinte, Bandscheibenbeschwerden seien beliebt, um sich krankschreiben zu lassen, weil eine objektive medizinische Prüfung kaum möglich sei. Der Chef wandte sich dann an den Medizinischen Dienst der Krankenkasse, ob er die Krankheit der Beschäftigten überprüfen könne, doch dort vertröstete man ihn angeblich auf einen Termin in fünf Wochen.

Deshalb engagierte der Chef einen Detektiv, der sich vor dem Haus der Sekretärin an zwei Tagen, insgesamt 25 Stunden, auf die Lauer legte. Per Video dokumentierte er, wie die Frau einen Wäschekorb zum Auto trug und sich zu einem Hund hinunterbeugte. Eine körperliche Beeinträchtigung sei nicht erkennbar, notierte der Detektiv.

Der Chef kündigte deshalb der Sekretärin fristlos, sie habe die Erkrankung nur vorgespielt. Die Frau ließ das aber nicht auf sich sitzen. Sie habe sich durchaus bücken können, da ihr Bandscheibenvorfall im Halswirbel- und nicht im Lendenbereich stattgefunden habe.

Das Bundesarbeitsgericht erklärte nun den Einsatz des Detektivs für rechtswidrig. Zu solchen Maßnahmen könne ein Arbeitgeber nur greifen, wenn ein auf konkreten Tatsachen beruhender Verdacht einer schweren Pflichtverletzung vorliege. Ein Verdacht des betrügerischen Krankfeierns könne zum Beispiel entstehen, wenn der Beschäftigte für einen bestimmten Zeitraum Urlaub beantragt, dieser nicht genehmigt wird und der Beschäftigte dann genau in diesem Zeitraum krank wird.

Der kleine Konflikt zwischen der Sekretärin und ihrem Chef sei aber nicht geeignet gewesen, die nachfolgende Krankheit der Beschäftigten anzuzweifeln. Da sie ein ärztliches Attest vorgelegt hatte, musste der Arbeitgeber von dessen Richtigkeit ausgehen.

Umstritten war beim BAG vor allem noch die Höhe des Schmerzensgeldes für die Frau. Diese hatte sich nach dem Überwachungsvorfall mehrere Monate in psychotherapeutische Behandlung begeben. Die Vorinstanz, das Landesarbeitsgericht Hamm, hatte der Frau 1.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Sie wollte aber 10.500 Euro haben.

Das BAG bestätigte nun die niedrigere Summe. Damit hat das BAG aber erstmals Schmerzensgeld für Überwachungsmaßnahmen des Arbeitgebers zugebilligt. (Az.: 8 AZR 1007/13)