berliner szenen Lidl-Idylle

Der andere Laden

Neuerdings gibt es beim Rathaus Neukölln zwei Lidl. Der eine ist hell und geräumig, das Gemüse frisch. Der andere ist – eben der andere. Winzig. Dunkel. Stinkend. Hier sind nicht nur die Kopfsalate hässlich und riechen faulig. Vor mir bricht eine Frau aus der Kassenschlange aus und drängelt, zerstreut murmelnd, zurück. In Zeitlupentempo zerstreut sie ihren halben Einkauf (Hundeleckerli) auf dem Boden. Ein Mann mit dem Standardprogramm (Korn und Dosenfleisch) drängelt sich vor.

Dann beginnt es. Leises Gegrummel, Schimpfen, schließlich schweres Geschütz. Mann: „Du blöde Fotze!“ Frau: „DU FOTZ!!“ Sie holt mit ihrem riesigen Portemonnaie aus und schlägt am Kopf des Mannes vorbei, der sie mit seinem unförmigen Körper an die Kasse drängt. Beide brüllen, treten. Etwas verschämt sage ich: „Na, na, Sie müssen ja nicht gleich …!“ Der Mann kneift die Augen zusammen, schnauft und stößt mich zur Seite.

Nach dem Bezahlen kündigt er faustschwingend an: „Komm du raus!“ Die Frau, nicht weniger kampfeslustig: „Draußen steht mein Mann, der macht dich alle!“ Das Ankertattoo auf dem Arm macht das glaubwürdig. Auch sie bezahlt. Dann ist es still. Plötzlich steht die Kassiererin auf und brüllt: „Wo ist die Scheißsecurity, wenn man sie braucht?“

Am Ausgang finde ich dann eine Idylle vor. Hier lehnt der Securitymann, der Schlagstock baumelt lässig neben seiner brennenden Zichte. Daneben steht die Frau mit ihrem heruntergekommenen Freund, umringt von einer Armada leerer Kornflaschen. Auf dem Arm haben sie einen Pitbullwelpen, in ein Palituch gewickelt. Gemeinsam sperren sie ihm das Maul auf und stecken Hundekuchen hinein. SONJA VOGEL