silver jews etc.
: Silberner Schmuck

Warum er mit den 1989 gegründeten Silver Jews erst 2006 auf Tour gegangen sei, wollte ein Journalist von David Berman wissen: „Ich war nicht in der Lage, mir den Vertrauensvorschuss zu gewähren, den es dafür braucht, bis ich aufgehört habe, den Dingen als Schlappschwanz entgegenzutreten“, sagte der Sänger.

Und auf die Frage, was er so treibe in Nashville, antwortete er im Geiste eines Stoikers: „Ich gehe mit dem Hund raus.“ Mr. Berman dürfte im Schatten von Nashvilles Skyline auch an einem Aufnahmestudio vorbeikommen. In regelmäßigen Abständen erscheint ein neues Album der Silver Jews. Stephen Malkmus und Bob Nastanovich von Pavement hatten die Band einst mitgegründet. Von Anfang an kreiste das Projekt aber um David Berman. Im Moment sorgen Musiker von Lambchop für den countryfizierten Sound der Band. Auch auf dem neuesten Werk, das den weit ins Offene weisenden Titel „Lookout Mountain, Lookout Sea“ trägt, ist das zu hören. Jeder könne diese Songs spielen, bekundet ein dem Album beigelegtes Blatt. Aber singen wie David Berman kann sie keiner. Seine Stimme bewegt sich in den Oktavbereichen von Johnny Cash, auch Lee Marvin wäre als Bezugsgröße vorstellbar. Aber Berman grummelt von einer Jukebox mit Persönlichkeit: In dem wunderschön dahintwängelnden Song „Suffering Jukebox“ wird die Leidensgeschichte einer „betrübten Maschine“ erzählt: Angefüllt mit dem, was sich andere Leute so erdacht haben, spuckt sie auf Knopfdruck Vorgefertigtes aus. Das bezaubernde letzte Stück des Albums hingegen ist musikalisch eine Hommage an „Lyin’ Eyes“ von den Eagles und „I shall be released“ von Bob Dylan. Im Werkzusammenhang der eher dem Schwermütigen zuneigenden Silver Jews stellt der Song geradezu eine Apotheose der Liebe und des Lebens dar, wenn man die folgende Zeile als gemeinsamen Glücksnenner verstehen will: „We could be looking for the same thing, if you’re looking for someone.“ So einfach sind die zwischenmenschlichen Dinge dann doch nicht. Um simple Geschichten war es Berman ja auch nie zu tun. In allen Songs, auch wenn sie weitaus lichter erscheinen, als auf früheren Alben, gibt es lange Schattenwürfe der Melancholie – eine unhintergehbare Form von Einsamkeit und Verlorenheit, die sich in kleinen Erzählungen über auf Abwege geratende Paare, in paradoxen Wendungen oder treffenden Sentenzen versteckt: „I throw my thoughts like tomahawks into this world I disown.“ Auch so ein Gedankengeschoss ist der Name von Bermans Band: Als er im New Yorker Whitney Museum als Wärter arbeitete, blickte Berman aus einem Fenster auf ein Werbeschild am gegenüberliegenden Haus: „Silver Jewelery“. Die letzten fünf Buchstaben aber waren aus seinem Blickwinkel nicht zu erkennen. ULRICH RÜDENAUER

The Silver Jews, „Lookout Mountain, Lookout Sea“ (Drag City/Rough Trade)