berliner szenen Elternwünsche

Neue Zeitschichten

Andrea S. wohnt weit draußen in einer Hochhauswohnung. Zur Arbeit fährt sie mit der U-Bahn. Sie kennt Kindertagesstätten in Hellersdorf, da beginnt die Schicht um sechs Uhr früh. Andrea S. muss erst um acht Uhr da sein. Und selbst dann sitzt sie noch lange alleine in dem leeren Raum mit dem orangefarbenen Teppichboden und schaut aus bunt beklebten Fensterscheiben auf das Klettergerüst im Garten.

Die Eltern von S.’ Kita-Kindern arbeiten in neumodischen Medienberufen. Sie schlafen lange und bringen ihre Kinder erst, wenn S. schon ans Mittagessen denkt. Die Eltern wollen, dass die Kinder jeden Tag rausgehen in den Garten. Egal ob es kalt ist oder ob S. Rückenschmerzen hat. Sie wollen, dass Windelkinder Fremdsprachen lernen. Sie beschweren sich, wenn die Erzieherinnen nachmittags auf dem Spielplatz zusammenstehen und reden. Sie sind ziemlich anstrengende Eltern, findet S. Neulich hat sie einen Zeitungsartikel ausgeschnitten und in die Kita-Umkleide gehängt. In Ruhe spielen sei für Kinder das Wichtigste, steht in dem Artikel.

Die Rückenschmerzen hat S. vom Herumtragen der Kinder bekommen. Derzeit lässt sie sich mit einem Gerät behandeln, das die Russen für die Raumfahrt entwickelt haben, erzählt sie. Die Krankenkasse zahlt die Behandlung mit dem Gerät nicht.

Seit drei Jahren unterhält S. eine Liebesbeziehung zu dem Filialleiter eines Supermarktes. Manchmal geht S. ihn mit ihren Kita-Kindern besuchen. Beim letzten Mal standen sie irgendwann alle vor dem Pfandautomaten und der Filialleiter hat den Kindern Fruchtjogurts geschenkt.

Am selben Abend hat er zu S. gesagt, dass er zu alt sei für eigene Kinder. KIRSTEN KÜPPERS