Felix Krull trifft den Soldaten Schwejk

Mit „Ich habe den englischen König bedient`` verfilmt Jirí Menzel wieder einen Roman von Bohumil Hrabal

Die Tschechen lieben ihre Schlitzohren: diese seltsamen Antihelden, die gerne Bier trinken und den Frauen hinterher sehen, die gewitzten Originale, die so klug sind, sich dumm zu stellen. Jaroslav Haseks braver Soldat Schwejk ist der Bekannteste von ihnen, und auch der 1997 verstorbene Autor Bohumil Hrabal schrieb immer wieder von kleinen Leuten, die es faustdick hinter den Ohren haben.

So verwundert es nicht, wenn sein bekanntester Roman „Ich habe den englischen König bedient“ sich liest wie eine Kreuzung aus Schwejk und Thomas Manns „Felix Krull“. Denn wie dieser strebt der junge Held der Geschichte nach Besserem und weiß als devoter Bediensteter in höheren Kreisen seinen Vorteil zu nutzen. Jan Dite heißt dieser kompakt gewachsene Ehrgeizling, der unbedingt Millionär werden will, und dessen Schelmenstreiche dem Autor Gelegenheit geben, en passant auch von der Weltgeschichte zwischen dem Ende des ersten Weltkrieges und den 60er Jahren zu erzählen.

Zuerst in der kleinen Kneipe seines Heimatortes, aber schon bald in einem Luxushotel in Prag lernt Jan schnell, sich einzuschmeicheln und jenen Leuten gefällig zu sein, die ihm später nützlich sein können.

So geht es ihm auch nicht schlecht, nachdem die Deutschen Böhmen und Mähren besetzt haben. Ja er lacht sich sogar eine Sudetendeutsche Freundin an, die allerdings als glühende Nationalsozialistin in der ersten Liebesnacht den Kopf des Glücklichen beiseite schiebt, um mit leuchtenden Augen auf das Hitlerbild an der Wand zu blicken. Die witzigste Beischlafszene seit langem wird dadurch noch pikanter, dass die faschistische Geliebte mit blonden Zöpfen und im Lodenkostüm ausgerechnet von Julia Jentsch gespielt wird, die in der Rolle von Sophie Scholl, also der Märtyrerin des deutschen Widerstandes berühmt wurde.

Bei dieser Besetzungsentscheidung spürt man den subversiven Witz des inzwischen 70jährigen Regisseurs Jirí Menzel. Schon sein Debüt „Liebe nach Fahrplan“ für das er 1967 einen Oscar bekam, basiert auf einer Vorlage von Bohumil Hrabal, mit dem er seine gesamte Karriere lang zusammenarbeitete. Die beiden haben einen ganz ähnlichen Humor, den Hrabal einmal die „spezielle Prager Ironie“ nannte und sie feiern gerne jenen tschechischen Archetypen, den gewitzten Hedonisten. In „Liebe nach Fahrplan“ war dies ein junger Bahnhof-Schaffner, der im zweiten Weltkrieg für den Befreiungskampf einen Zug der Deutschen in die Luft sprengen soll, aber lieber mit seiner Freundin ins Bett geht. Menzel mag die Frauen, und in seinem neuen Film versäumt er keine Gelegenheit, sie genüsslich vor der Kamera zu entblättern. Diese Altherren-Erotik wirkt manchmal schon ein wenig peinlich, doch dann passt sie doch wieder zu der durchgängig nostalgischen Stimmung des Films.

Diese rückgewandte Sehnsucht ist auch das Gefühl, das Menzel selber beherrschte, sodass man den Film auch biografisch interpretieren kann. Denn Menzel musste ebenfalls mit allen Tricks arbeiten, als er nach dem kurzen Prager Frühling nicht wie sein Kollege Milos Forman im Westen Karriere machte, sondern sich daheim mit den Behörden herumschlagen musste. In seinen Komödien zeigte er immer Menschen, die Widerstand gegen das politische System leisteten, indem sie dickköpfig ihr Recht auf das eigene, ganz persönliche Glück einforderten. Und wenn sein Jan Dite nun unbedingt Millionär werden und mit vielen schönen Frauen schlafen will, dann kann Menzel auch darüber noch einen tolldreisten Film machen. Wilfried Hippen