"Geburt einer Nation" auf DVD: Ku-Klux-Klan als Freund und Helfer

D. W. Griffith "Geburt einer Nation" ist ein infames, rassistisches und doch filmhistorisch bedeutendes Werk.

Die Abgründe der Menschlichkeit in einem Film. Bild: ap

D. W. Griffith "Geburt einer Nation" ist ein Machwerk von epischer Größe. Eine der ersten großen Synthesen der im Jahr 1915 noch jungen Filmkunst und zugleich abscheulich in seiner Verwendung der schlimmsten rassistischen Klischees. Ein Riesenerfolg, gegen den auch die mehr als berechtigten Proteste der afroamerikanischen Assoziation NAACP wenig ausrichten konnten. Ein Film, den das American Film Institute erst im letztjährigen Update seiner Liste der hundert wichtigsten amerikanischen Filme strich, um ihn durch Griffith unmittelbar nach "Geburt einer Nation" gedrehtes, einst weit weniger erfolgreiches menschheitsgeschichtliches Epos "Intolerance" zu ersetzen.

"Geburt einer Nation" erzählt, entstanden zum fünfzigsten Jahrestags seines Endes, vom Amerikanischen Bürgerkrieg. Seinen Anspruch macht er nicht nur im Titel, sondern schon in einer ersten Schrifttafel klar. Es müsse, heißt es da, der neuen Kunst erlaubt sein, auch die Abgründe des Menschlichen in aller Deutlichkeit zu zeigen, wie es die Bibel und Shakespeare für die Literatur taten. Unmissverständlich ist die Antikriegsbotschaft in erster Linie auf den Schrifttafeln.

Mit dem Schicksal manch weiteren angeblichen Antikriegsfilms teilt Griffith Werk das Problem, dass die Schlachtszenen höchst eindrucksvoll in Szene gesetzt sind. Mithilfe seines Sprengmeisters "Fireworks" Wilson entwirft Griffith großartig choreografierte Tableaus vom Wogen der Schlacht zwischen apart gesetzten Explosionswölkchen.

Die große Geschichte des Konflikts zwischen Norden und Süden wird aber in erster Linie gespiegelt ins Familiale. Für den Norden steht die Familie des Kongressabgeordneten Austin Stoneman (Ralph Lewis). In dessen von Griffith Star Lillian Gish gespielte Tochter Elsie - bzw. in deren vielfach vergrößerte Fotografie - verliebt sich der spätere Südstaaten-Colonel Ben Cameron (Henry B. Walthall). Mitglieder beider Familien sterben in einer sinnloser Schlacht. Zum Wendepunkt wird der Mord an Abraham Lincoln während eines Theaterbesuchs, den Griffith als - wie wiederum Schrifttafeln behaupten - genaues "Faksimile" des historischen Vorfalls nachinszeniert.

Insbesondere im zweiten Teil, "Reconstruction", verdreht der Film die Fakten ins offen Rassistische. Er folgt dabei dem weißen Mainstream, was sich schon an direkten Zitaten aus der "Geschichte des amerikanischen Volkes" zeigt, die kein Geringerer als der im Jahr 1915 amtierende US-Präsident Woodrow Wilson verfasst hatte. Nicht zuletzt in der Wahl weißer Darsteller im Blackface verweigert der Film, wie durchaus üblich, den Schwarzen jede angemessene Repräsentation. Er schildert sie als unfähig zu Maß und Vernunft, als Vergewaltiger weißer Frauen, die in letzter Minute erst durch den heranstürmenden, vom Helden des Films Ben Cameron gegründeten Ku-Klux-Klan gerettet werden.

"Geburt einer Nation" ist infam und eben doch ein bedeutendes Werk. Zwar hat Griffith, anders als von der Filmgeschichtsschreibung lange behauptet, keines der vielen von ihm eingesetzten filmischen Mittel im strengen Sinne erfunden, wie er jedoch Großaufnahmen und durch Parallelmontagen erzeugten Suspense, die Konzentrationskraft der Irisblenden und die Tableaus der Schlacht, Trickaufnahmen und (meist) subtiles Schauspiel, Episches und Intimes zueinander ins Verhältnis setzt, das zeugt von der einzigartigen Meisterschaft, die er als Regisseur hunderter kürzerer Filme im Verlauf eines knappen Jahrzehnts erworben hat.

Die Firma absolut medien, die "Geburt einer Nation" nun in der Arte Stummfilm-Edition herausbringt, flankiert den Film mit einem vierzigseitigen Booklet, das den historischen Kontext erhellt. Es finden sich darin Texte von Griffith, dokumentiert ist auch seine Leugnung rassistischer Tendenzen in der zeitgenössischen Diskussion. Abgedruckt sind zudem die Erinnerungen Lillian Gishs an Griffith, die den bald glücklosen und in der Trunksucht endenden Regisseur zeitlebens tief verehrte.

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