Nacktfrösche und S/M-Königinnen

Sex als Lebensform und Profession: „Five Sexrooms und eine Küche“ von Eva C. Heldmann zeigt den Alltag in einem Frankfurter Wohnungsbordell aus einer unverkrampften feministischen Perspektive

Für auf extreme Highheels stehende FetischistInnen ist „Five Sexrooms und eine Küche“ unbedingt empfehlenswert. Ein gefühltes Drittel des Dokumentarfilms von Eva C. Heldmann zeigt gepflegte Frauenbeine von realistischer Länge, die auf Plateausohlen und superspitzen Absätzen durch den Flur stöckeln.

Auch in der Küche bieten die plastikfarbenen Fantasiegebilde den Blickfang für die Kamera. Es geht gemütlich zu. Das Ikea-Inventar ist sparsam, gekocht wird auch, nur ist leider kein Olivenöl da. Wenn die Telefone auf dem Tisch zirpen, führen die Frauen ihre Kundengespräche mit professioneller Launigkeit – eine freundschaftlich-zärtliche Tonart, die man anderswo oft vermisst. „Schönen guten Tag“ zieht sich als melodiöser Spruch durch Eva C. Heldmanns Stimmungsbericht aus einem Frankfurter Wohnungsbordell.

Tina und Nadine sind füllige Frauen mit Langhaar und Tattoos, in schwarze Lederkleidchen von Hüftlänge eingepellt. Ihre schwarze Hundetöle schlummert im Körbchen. In den Pausen werden Bücher gelesen. Lady Tara, eine Domina jenseits der vierzig, weniger puppenhaft als die Kolleginnen, zeigt beiläufig ihr Fleisch, wenn sie beim An- und Auskleiden ins familiäre Ambiente hereinschneit. Dann ist da noch Cindy, die schmale Junge, die wortlos an ihren abenteuerlichen Catsuits nestelt und öfter beim Sauberwischen gefilmt wird. Nüchtern deklarieren alle Frauen am Telefon ihren Typ und ihre Spezialitäten.

Die Kamera von Rainer Komers kann sich den skurrilen Momenten des Spektakels nicht entziehen, zum Beispiel zeigt sie Cindys Hinterbacken in rotem Netzwerk, wo das Mädchen wie aufgespießt auf den spitzen Absätzen aussieht, wenn es in der Hocke mit dem Kehrblech hantiert. Futter für VoyeuristInnen liefert der Film, nur sind die Weiblichkeitsfetische hier vergleichsweise realer und lebendiger als die Sexikonen von Bettina Rheims. Subtilen Glanz verleiht den Bildern die Musik, zum Beispiel der Gesang einer Berberin oder Mozarts „Arie der Königin der Nacht“.

Eva C. Heldmann ist eine Frankfurter Kinomacherin und Programmkuratorin aus dem Umkreis der Zeitschrift Frauen und Film, die seit 1984 auch Dokumentarfilme dreht. Sex als Lebensform und Profession, gesehen aus einem unverkrampften feministischen Blickwinkel, ist ihr Thema. „Fremdgehen. Gespräche mit meiner Freundin“ (1999) handelt z. B. von den sexuellen Begegnungen einer feministischen Intellektuellen mit der „Fremde“, d. h. mit schwarzen GIs, die in der Frankfurter Region stationiert waren. Auch „Five Sexrooms und eine Küche“ ist ein Plädoyer fürs „Leben und leben lassen“.

Der Film wirkt wie ein unangestrengter Beweis der Lebenstüchtigkeit und des Selbstbewusstseins von Prostituierten. Er funktioniert wie ein explizites Widerwort gegen Alice Schwarzers ideologische Sanktionierung der Prostitution. Tina, eine S/M-Expertin für die „Gemeinschaftserziehung“ von (oft uneingestandenen) Bisexuellen, ist die Chefin des Ladens und eine patente Philosophin des Gewerbes. Sie besteht auf ihrer Lebenserfahrung, dass Vögeln „nichts Heiliges“ sei, dass Debatten über Zwangsprostitution und Gewalt nur die Extreme verallgemeinerten. Aus Tinas gelassener Sicht wird Sex mit Prostituierten überbewertet – ob man den „Körper eines anderen benutzt oder wie bei einem guten Gespräch dessen Geist“, sei doch gleich.

„Five Sexrooms und eine Küche“ entmystifiziert das Thema Prostitution durch solche Statements. Doch leider weckt der Film zwar mitfühlende Neugier, lässt Fragen nach den Details und Betriebsgrundlagen des Bordells jedoch aus. Vor allem: wieder einmal bleiben die Freier unkenntlich und unsichtbar. Bis auf ein paar behaarte Beine, Stöhnlaute aus dem Off oder einen kleinlauten Nacktfrosch bei der S/M-Behandlung – durch Spiegelaufnahmen und aussparende Bildausschnitte verfremdet – fehlen sie.

Lästige Realien wie Bezahlung, Kondome, Krankheitsvorsorge und Gewerbeordnung bleiben außen vor. Die Mystifikation dieser heterotopischen kleinen Welt wird durch die Bildführung wieder eingeführt, wenn die Kamera aus einem Blickwinkel, der dem von Tinas Hündchen gleicht, den Catwalks der Highheels durch den Bordellflur folgt und die Sinfonie der Beine den Film dominiert. CLAUDIA LENSSEN

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