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Kommt Mephisto vom Mars?

Die moralphilosophische Grundidee interessiert nur zu Beginn

Ein Klingeln an der Tür, ein Paket liegt auf der Matte, darin eine Holzpyramide mit Plastikhaube und einem roten Knopf obendrauf. Mutter, Vater, Sohn, die ganze Kleinfamilie weiß nicht, was das soll. Die Gebrauchsanweisung folgt, ein paar berufliche Schicksalsschläge später, auf dem Fuß. Da steht Mephisto im feinen Zwirn vor der Tür. Ihm fehlt das halbe Gesicht. (Der Mutter, gespielt von Cameron Diaz, fehlen dafür vier Zehen am Fuß. Weiß der Teufel, warum.) Der Fremde mit Namen Arlington Stewart macht der Familie ein sehr unmoralisches Angebot. Wenn sie den roten Knopf drücken, bekommen sie erstens eine Million Dollar in frischen Hunderter-Scheinen. Und es stirbt zweitens irgendwo auf der Welt ihretwegen ein Mensch.

So weit ungefähr folgt Richard Kelly in „The Box“ der Kurzgeschichten-Vorlage „Button, Button“ des vielverfilmten Science-Fiction-Autors Richard Matheson. Der Rest ist Dazutun, eine Disziplin, in der Kelly ein Meister ist. Als komplikationsfreudiger Dazutuer von Unheimlichkeiten, komischen Hasen und allerlei Merkwürdigkeiten reüssierte er vor ein paar Jahren mit seinem Erstling „Donnie Darko“. Der war an den Kassen erst kein Erfolg, später dann, auf DVD, ein sehr großer. Für den Nachfolger ließ ihm die Industrie alle Freiheiten. Heraus kam „Southland Tales“, ein maßlos ambitioniertes, faszinierendes Durcheinander an gesellschaftsdiagnostischer Apokalyptik mit vielen Versatzstücken älterer und jüngerer Fantastik. Trotz Starbesetzung – mit Justin Timberlake, Miranda Richardson, Dwayne „The Rock“ Johnson und vielen mehr – bekam das Werk im Wettbewerb von Cannes heftige Prügel und soff an den Kassen erbarmungslos ab.

„The Box“ kommt zurückhaltender daher, schöner auch. Der Film spielt in den Siebzigerjahren. Die Tapeten im Hintergrund haben großartige Muster. Die attraktiv plastiniert wirkenden Digitalbilder sind von leicht schokoladiger Bräunlichkeit und die Kamera bewegt sich suggestiv durch Räume, in deren Hintergrund stets etwas los ist. Recht bald ist es mit der schönen Zurückhaltung dann zum Glück wieder vorbei. Die moralphilosophische Grundidee interessiert Kelly nur zu Beginn. Bald zeigt er sich wieder als der Regisseur und Drehbuchautor mit intellektuellem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, den man kennt. Kommt Mephisto etwa vom Mars? Was genau fuhr mit dem Blitz in ihn? Wie funktioniert das mit dem Heer von Mitarbeiter-Zombies, die er befehligt? Was zum Teufel hat es mit dem Flugzeughangar mit Lichtkreuz auf sich? Oh, und das Nasenbluten. Nicht zu schweigen von Jean-Paul Sartre, dessen Stück „Geschlossene Gesellschaft“ mehrmals zur philosophischen Durchdringung des Ganzen heranzitiert wird.

Kelly durchdringt aber, wie stets noch, nichts. Er fantasiert stattdessen privatmythologisch und in angemessenem Größenwahn vor sich hin. Findet tolle Bilder für krudes Zeug. Inszeniert eine atemberaubende Verfolgungsjagd in der Bibliothek, an deren Ende sich der Held für eines von drei digitalen Wassertoren entscheiden muss. Sie führen angeblich zu Erlösung oder Verdammnis, in Wahrheit aber machen sie am Ende nur die Ehefrau und das Ehebett nass. Furchtlos mischt Kelly die Sphären und die Bilder, das Banale und das Hochgestochene, oft mit hanebüchenen Schnitten. Er erweist sich einmal mehr als brillant begabter Dilettant. Seine Filme bringen, was in Hollywood sonst gilt, ganz durcheinander. Unklar ist aber, wie oft er noch Geld bekommt für sein zwischen allen Stühlen befindliches Treiben. „The Box“ war erneut alles andere als ein Erfolg und erscheint hierzulande – um den dämlichen Untertitel „Du bist das Experiment“ reicher – wie schon „Southland Tales“ nur auf DVD. EKKEHARD KNÖRER

■ „The Box – Du bist das Experiment“. Regie Richard Kelly. Mit Cameron Diaz u. a. USA 2009. Die DVD enthält einige übliche Extras wie Interviews und Making-ofs und ist im Handel ab rund 15 Euro erhältlich