In der Wiese

NORDKOREA Propagandakunst im Wiener Museum für Angewandte Kunst und eine überaus erboste FPÖ

Kunstausstellungen in Österreich bergen immer noch erstaunliches Erregungspotenzial. Jüngstes Beispiel: „Blumen für Kim Il Sung“, die Schau nordkoreanischer Propagandakunst im Wiener Museum für Angewandte Kunst (MAK). Noch bevor die in freundlichem Pastell oder in grellen Plakatfarben gehaltenen Bilder ausgepackt waren, machte die FPÖ ihrer Empörung Luft. Ihre Kultursprecherin forderte in durchaus originellen Formulierungen von MAK-Direktor Peter Noever, das Großprojekt in letzter Minute abzublasen. Sie zieh die „verhaberte Kunstschickaria (sic!)“, „keinerlei Berührungsängste mit den verbrecherischen Diktaturen“ zu haben. Mit der Ausstellung, die bis zum 5. September zu sehen ist, würde das MAK „für eines der letzten menschenverachtenden kommunistischen Regime der Welt die Plattform für Propaganda“ abgeben.

Die vehemente Attacke verwundert insofern, als gerade das Kunstverständnis der FPÖ dem koreanischen Phantasy-Schönwetter-Realismus durchaus nahe sein dürfte. Auch die jüngsten Werbeplakate, auf denen sich Parteichef Heinz-Christian Strache mit lächelnden, ihn anhimmelnden Menschen umgibt, würden glänzend in die Ausstellung passen, wenn man Strache durch den „Großen Führer“ Kim Il Sung ersetzte. Das möchte man in der FPÖ allerdings ganz anders sehen.

Die Proteste der Freiheitlichen waren also ebenso vorhersehbar wie der Geifer, der aus den Kolumnen der Boulevardzeitung Kronen Zeitung und des U-Bahn-Gratisblatts Heute troff. Peter Noever, der längstdienende Museumsdirektor Österreichs, machte es den Kritikern auch denkbar einfach. Der Propagandakitsch aus dem Reich des farblosen Kim Jong Il, der auch auf den Bildern neben seinem alles überstrahlenden Vater wie ein blasser Bürokrat wirkt, ist in all seiner totalitären Herrlichkeit praktisch ohne Kommentar zu sehen. So will es die Vereinbarung mit den Leihgebern, der Korean Art Gallery und der Paektusan Academy of Architecture, die ihre Kulturgüter erstmals außer Landes ließen. Auch der knappe Einführungstext weist nur darauf hin, dass „es sich bei den präsentierten Arbeiten um parteioffiziell-staatstragende Kunst“ handle. Sie sei „realistisch, klassenbewusst, revolutionär gesinnt“.

Die Befürchtung, Ausstellungsbesucher könnten in Scharen zur Dschutsche-Ideologie, der koreanischen isolationistischen Ausformung des Maoismus, konvertieren, hegt man wohl nicht einmal in der FPÖ. Die vielen, die den freien Eintritt am Wochenende nutzten, um sich ein Bild von der polemischen Schau zu machen, schritten eher amüsiert denn ehrfurchtsvoll durch die Säle. Einen älteren US-Amerikaner erinnerte die gigantomanische Architektur des Kim-Il Sung-Platzes in Pjöngjang, die auf einer Planungsskizze zu sehen ist, mit den nie realisierten Plänen Hitlers für Berlin/Welthauptstadt Germania.

Peter Noever, der sich schon durch einschlägige Ausstellungen stalinistischer Kunst oder eine unreflektierte Retrospektive des umstrittenen Aktionskünstlers Otto Mühl einen Ruf als Totalitarismusapologet erworben hat, wies natürlich jedes Ansinnen nach Zensur empört zurück: „Das geht überhaupt nicht. Diese Zeiten sind vorbei.“ Schließlich hat er fünf Jahre Vorarbeit geleistet und musste bei fünf Besuchen in Pjöngjang Schönwetter machen. Den Wirbel nahm er deswegen gelassen: „Wenn zwei so unterschiedliche Systeme aufeinandertreffen, kommt es zwangsläufig zu Divergenzen.“ Zwar wollte auch Unterrichts- und Kulturministerin Claudia Schmied, aus deren Budget das Museum und dessen Ausstellungen subventioniert werden, nicht zurückstecken. Doch am Abend der Ausstellungseröffnung, an dem sich das offizielle Nordkorea die Ehre gab, ließ sie sich wegen eines dringenden Termins entschuldigen. Ein Treffen mit der bekannten chinesischen Menschenrechtsaktivistin Jung Chang hatte Vorrang. Mit einer ungewöhnlichen Geste ging auch das ÖVP-geführte Finanzministerium auf Distanz: Es verweigerte die sonst routinemäßig übernommene Bundeshaftung für allfällige Schäden an den Leihgaben.

Dass die Jubelkunst aus Nordkorea uns selbst so fremd nicht ist, belegte ein bloggender Witzbold mit einem Sujet der niederösterreichischen Fremdenverkehrswerbung. Er stellte das Plakat mit den glücklichen Menschen auf der Wiese neben ein Exponat von zwei koreanischen Kindern auf der Wiese und versah es mit einem lapidaren Kommentar: „Eine Sicht auf eine gänzlich fremde Kultur zu ermöglichen, dafür kann Claudia Schmied und dem von Peter Noever geführten MAK nicht genügend gedankt werden.“

RALF LEONHARD