Schmutziger als im Prospekt

KABARETT Der Postkabarettist Josef Hader ist mit seinem neuen Programm „Hader spielt Hader“ im Babylon. Die Zuschauer nehmen es ihm nicht übel, dass er sie entlarvt. Ganz im Gegenteil, sie denken: Der Mann hat recht

Die Frage war, Auto oder Kinder? Der Autofahrer muss nun ohne Kinder alt werden

VON PETER UNFRIED

Was ist Humanismus? Dass man schon schaut, was geht. Sagt Josef Hader. Aber nicht verbissen. Humanismus ist ein Volvo. Ist Rucola. Und Biospätburgunder. Die größten Humanisten sind die Leute, die zu dem besten Postkabarettisten der Welt in die Vorstellung gehen, auf höchstem Konsumniveau total entspannt entlarvt werden und sich darüber köstlich amüsieren können.

Der Postkabarettist Josef Hader aus dem Burgenland ist wieder in der Stadt, und zwar im Kino Babylon Mitte. Mit einem Programm namens „Hader spielt Hader“. Das ergibt Sinn. Weil: Es gibt weltweit keinen besseren Hader als Hader. Er geht ja sehr ökonomisch mit seinen schreiberischen Qualitäten um. Zum einen ist er auch Schauspieler, zum anderen will er angesichts seines hohen Alters (48) auch noch ein bisschen leben.

Mit dem letzten Programm „Hader muss weg“ ist er seit 2004 unterwegs. Der Vorgänger „Privat“ wurde 1994 uraufgeführt. Ein neues Hader-Stück ist also auch chronologisch ein Jahrzehntereignis. Da ist es naheliegend, ein Nebenprogramm zu haben für Orte wie Berlin, wo ihn die(selben) Leute gern öfter sehen. „Hader spielt Hader“ ist eine Kompilation von Monologen aus fünf Programmen seit den 80er Jahren. Dazwischen spielt und singt er am Elektropiano.

Im Kern geht es darum, gute Unterhaltung für die okaygebildete, okayverdienende Supermittelschicht zu machen, was eine ganz schön komplizierte Sache auf verschiedenen Ironie-Ebenen ist, weil diese Kundschaft nun mal anspruchsvoll ist. An die Kraft des politischen Kabaretts glauben sie genauso wenig wie an die der Politik.

Diese „Mittelschichtswichser“, wie Hader sie nennt, sind die, die immer wissen, wer schuld ist an der ganzen Scheiße der Welt, so wie die Kabarettisten ja auch. Nur er, Hader, weiß es inzwischen angesichts der Komplexität der Welt oder fortgeschrittener Selbsterkenntnis manchmal nicht mehr. Aber dann sagt er sich: „Josef, ist doch egal.“ Er wird die Welt nicht retten. Er hat das Leben kennengelernt. Das Leben verliert dadurch, dass man es kennenlernt. Entsprechend zerknittert sieht er aus.

Auch ein Leitmotiv, das Haders Werk durchzieht: die Unmöglichkeit, das Gute und Schöne aus der Theorie in das Leben rüberzukriegen. Alles ist kleiner und schmutziger als im Prospekt: die Akropolis, die Kinder, die Ehe. Eine von Haders Qualitäten ist das Schaffen und Zerstören von Stimmungen mit einem Gesichtsausdruck und einer kleinen Veränderung der Stimme. Er will bei seinen Kindern anrufen. Da fällt ihm ein, dass er gar keine hat. Es sei eine bewusste Entscheidung aus Umweltschutzgründen gewesen. Die Frage war: Auto oder Kinder? Binnen zwei Sekunden transformiert sich die heitere Absurdität des Stand-up-Sketches in eine schöne Melancholie und Empathie für diesen mittelalten Autobesitzer, der nun ohne Kinder alt werden muss. Dann lässt Hader die Emoblase auch schon wieder platzen und ist thematisch ganz woanders. Bei der Sehnsucht nach dem Landleben (Unfug). Bei Vorurteilen gegenüber Franzosen und Kroaten, Politikern und Haustierbesitzern (falsch, wer keine hat). Er denkt in diesem Zusammenhang auch sehr kritisch über das politische Kabarett nach. Man brauche nur „Westerwelle“ zu sagen, um mit dem Publikum in Ablehnung vereint zu sein. Das ist schlimm, aber den Westerwelle-Lacher nehmen wir dann doch noch mit.

Es bleibt das einzige Mal, dass der Name fällt, zweimal sagt er noch Strache, aber das zieht in Berlin selbstverständlich längst nicht so wie in Wien. Hitler funktioniert, aber das geht ja immer. Letztlich kreist er immer um den Kern: dass er und sein verlogenes, linksliberales Publikum bei allem Bewusstsein für diverses globales Elend schon viel Zeit für Finden und Trinken guten Weins aufwenden müssen. (Hader hat in einem taz-Interview mal die schöne Differenzierung gemacht, dass zwar jeder egoistisch, indes der Grad unterschiedlich sei, mit dem sein Egoismus der Gesellschaft nütze.) Und das ist dann wieder das Tolle an Haders Publikum: Die Zuschauer nehmen ihm das nicht übel, dass er sie entlarvt. Die fühlen sich bestätigt. Und denken zufrieden: Der Josef hat recht, ich bin ganz schön verlogen. Weil: Das zu wissen und damit so souverän umgehen zu können, das können die meisten anderen ja leider überhaupt nicht. Das können nur wir.

■ Josef Hader: „Hader spielt Hader“. Kino Babylon Mitte, Mo., Mi., Fr., Sa., jeweils 20 Uhr