Buch nach Ausbruch der Eurokrise: Der Mann, der an den Euro glaubt

US-Ökonom Barry Eichengreen sieht die Rolle des Dollar als Leitwährung schwinden. Der Euro werde eine größere Bedeutung bekommen - trotz Griechenland-Krise.

Not convinced: Krawalle wegen Sparmaßnahmen in Griechenland. Bild: dapd

Leute, die vom Euro die Nase voll haben, sollten dieses Buch lesen. Ökonom Barry Eichengreen, Professor an der Berkeley-Universität in Kalifornien, beschreibt darin "Aufstieg und Fall des Dollar". Etwa 100 Jahre lang war die US-amerikanische Währung das beherrschende Zahlungsmittel der Welt. Nun gehe diese Stellung dem Ende entgegen, analysiert Eichengreen.

Was heißt das für uns, die Europäer, und unser Geld, den Euro? Eichengreen sieht eine "multipolare Welt" entstehen, in der es mehrere parallele Weltwährungen geben könne. Neben dem Dollar traut er diese Rolle vor allem dem chinesischen Renminbi und dem Euro zu. Potenziell könnten aber auch weitere Währungen großer Schwellenländer wie Indiens oder Brasiliens hinzukommen.

Eichengreen hält eine Menge vom Euro - mehr als viele Europäer. Und als besonderes Zeichen seines Vertrauens in die europäische Währung muss man werten, dass er seine Thesen in einem Buch vertritt, das im Februar 2011 erschienen ist, ein Jahr nach dem Ausbruch der Eurokrise. Die Überschuldung Griechenlands sowie die während des Schreibens bereits bekannten Probleme Irlands, Portugals und möglicherweise weiterer Eurostaaten haben Eichengreens Analyse nicht ins Gegenteil verkehrt.

Was aber ist eine Weltwährung? Zunächst einmal das Zahlungsmittel, in dem ein entscheidender Teil des weltweiten Handels abgewickelt wird und das anderen Staaten als Notgroschen dient. Nach dem Ersten Weltkrieg, der den Banken in London, dem bis dato wichtigsten Finanzmarkt der Welt, sehr zugesetzt hatte, überholte der Dollar das britische Pfund. Mitte der 1920er hatten andere Staaten einen größeren Teil ihrer Devisenreserven in Dollar angelegt als in Pfund. Heute werden rund 60 Prozent aller staatlichen Geldreserven weltweit in Dollar gehalten und 85 Prozent des Welthandels in dieser Währung getätigt.

Schwer zu verschmerzendes Privileg

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Dollar so wichtig, dass Frankreichs Finanzminister Giscard dEstaing sich über das "exorbitant privilege" beschwerte, das der Dollar genoss, das schwer zu verschmerzende Privileg der USA. Dieses bestand und besteht noch immer darin, dass sich nur die Regierung der Vereinigten Staaten in einer Heimatwährung verschulden kann, die gleichzeitig Weltwährung ist.

Weil US-Dollar-Staatsanleihen überall rasch und in großen Mengen handelbar sind, ist es für alle Länder und Notenbanken sinnvoll, diese Anleihen zu erwerben. Sie tun damit nicht mehr und nicht weniger, als den USA permanent ihr Staats- und Privatdefizit zu finanzieren, und das zu vergleichsweise niedrigen Zinsen. Diese kann die US-Notenbank Fed wiederum durchsetzen, weil der Dollar globale Leitwährung ist. Eichengreen bringt das "exorbitante Privileg" auf diesen Punkt: "Arme Haushalte in den Entwicklungsländern subventionieren reiche Haushalte in den USA."

Aber die Jahre dieses Vorteils könnten gezählt sein. Das liegt an der positiven Entwicklung in vielen früher armen Weltgegenden, vor allem aber am erstaunlichen Aufschwung der großen Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien. Diese nehmen den USA zunehmende Anteile am Welthandel ab, so dass damit auch die Bedeutung des Dollar in internationalen Transaktionen sinken kann. Hinzu kommen politisch-ökonomische Entscheidungen wie der Wille der chinesischen Regierung, die Rolle des Renminbi auf den internationalen Märkten zu stärken, und die Einführung des Euro vor zehn Jahren.

Allerdings beschreibt Eichengreen auch die Hindernisse, die einer multipolaren Welt, in der Währungsvor- und -nachteile gleichmäßiger verteilt sind, entgegenstehen. Er sagt es so: "Der Renminbi ist eine Währung mit zu viel Staat, der Euro eine Währung mit zu wenig." Dies kann man auch als Rat verstehen: Wenn sich die Europäer ökonomisch mittels ihrer eigenen Währung behaupten wollen, müssen die Nationalstaaten mehr Kompetenzen an eine gemeinsame EU-Regierung übertragen. Denn die globalen Investoren schätzen kein Geld, über dessen Schicksal rechtslastige Populisten aus der finnischen Tundra oder der österreichischen Bergwelt nach Lust und Laune mitentscheiden können.

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