Der absolute Oberfreak

HIPHOP MF Doom, der Rapper mit der Maske, trat im Astra auf – ein Abend, der einem zumindest so richtig klargemacht hat, wie genial diese Nummer mit dem Metallgesicht eigentlich ist

Man möchte nicht tauschen mit den beiden DJs auf der Bühne, die den undankbarsten Job des Abends erwischt haben. Es ist bald schon wieder zwei Stunden her, dass die Vorband aufgetreten ist, die Abstrakt-Hip-Hopper des Anti Pop Consortiums, und das Publikum will jetzt langsam mal denjenigen sehen, wegen dem es vor allem gekommen ist: MF Doom, den Rapper mit der Maske.

Die beiden DJs legen in der endlosen Pause ihren HipHop auf, scratchen verzweifelt, versuchen, etwas Partystimmung aufkommen zu lassen, und ernten irgendwann nur noch Pfiffe. „Verpisst euch“, ruft einer, und die ersten überlegen bereits ernsthaft, zu gehen. Vor der Halle des Astra fangen ein paar Jungs an, sich mit sich selbst zu beschäftigen und im kleinen Kreis zu freestylen, einer gibt dazu den Beatboxer, alle klopfen sich im Rhythmus auf die Schenkel, man rappt sich gegenseitig was vor. Auch das ist HipHop.

Langsam schwant einem, dass MF Doom diese seelische Grausamkeit an den DJs eingefädelt haben muss. Der Rapper hat sich nach Doctor Doom, dem Superschurken aus der Marvel-Comicreihe „Die fantastischen Vier“ benannt. Vielleicht will er uns so vermitteln, dass er sich nicht ohne Grund auf diesen schrecklichen Bösewicht bezieht.

Man hat aber auch ein wenig das Gefühl, dass Doom durch die ewige Pause ein wenig Abstand zwischen sich und der Vorband bringen will. Immerhin wäre das Anti Pop Consortium vor ein paar Jahren noch die echte Attraktion eines solchen HipHop-Events gewesen. Damals hätten alle auf das Consortium gewartet, heute aber sollen sie sich doch bitte schön für niemand anderen als MF Doom die Füße platt stehen.

Damals galt das Anti Pop Consortium aber auch noch als die große Avantgarde-Combo, als Erneuerer des HipHop. Doch seit diesen Job Typen wie Flying Lotus übernommen haben, deren HipHop noch viel zersplitterter klingt, erscheint das Anti Pop Consortium fast schon konventionell. Man erlebt zwar bloß die Zukunft des HipHop von gestern, aber dafür ist das Konzert ganz gelungen.

Doom kommt dann aber irgendwann wirklich noch. Plötzlich ist er da, der Rapper mit der Maske, der diese schon trug, als Sido aus dem Block noch gar nicht wusste, was HipHop überhaupt genau sein soll.

Wenn man sich MF Doom so anschaut, wie er auf der Bühne mit seinem Metallgesicht herumschlappt und groteskerweise auch noch eine Baseballmütze trägt, die irgendwie deutlich macht, dass Rapper sich und sein Comic-Figuren-Dasein selbst nicht so ernst nimmt, wird erst so richtig klar, wie genial diese Maskennummer eigentlich ist. Kanye West etwa muss sich sein Image als Exzentriker immer wieder hart erarbeiten. Er trägt dazu Pullis mit Bärchen drauf oder fällt bei Award-Verleihungen unangenehm auf. Doom dagegen zieht auf den paar Konzerten, die er gibt, sein zweites Gesicht aus Metall an, tritt sonst nicht in der Öffentlichkeit auf, hat seine Ruhe und gilt trotzdem als der absolute Oberfreak. Sogar Thom Yorke von Radiohead ist Fan von Doom, laut Gerüchten wollen die beiden sogar zusammen eine Platte aufnehmen.

Doom gibt sich keine große Mühe auf seinem Konzert. Einen DJ hat er erst gar nicht mitgebracht. Die Beats kommen vom Band, wir erleben hier lupenreines Halbplayback, als wären wir bei Thomas Gottschalk. Doom trägt eine Jogginghose und ein labbriges T-Shirt über dem Bäuchlein. Er sieht aus, wie man sich einen alt gewordenen Doctor Doom vorstellt, der die Welt längst vernichtet hat und sich ziel- und ideenlos vor dem Fernseher schrecklich gehen lässt.

Doom rappt ein wenig gemeinsam mit einem anderen, äußerst korpulenten Rapper. Nach der Zukunft des HipHop klingt das alles nicht. Man behauptet, wenn der echte MF Doom mal keine Lust habe, würde er irgendwelche Kumpels mit seiner Maske auf die Bühne jagen, in der Annahme, das Publikum würde den Unterschied sowieso nicht merken.

Vielleicht hockt der echte MF Doom ja auch gerade irgendwo in der Karibik. Ohne Maske.

ANDREAS HARTMANN