Türkenkind und Taxifahrer

FINDELKIND In der Charakterstudie „Dreiviertelmond“ von Christian Zübert wird Elmar Wepper als grantiger Nürnberger von einem Mädchen aus der Türkei gezähmt, das er auf seinem Rücksitz findet

VON WILFRIED HIPPEN

Die Geschichte vom Misanthropen, den ein Kind aus seiner existentiellen Erstarrung weckt, wird im Kino immer wieder gerne erzählt. Erst vor ein paar Monaten kam „Belgrad Taxi Radio“ mit einer fast identischen Geschichte in die Kinos. In beiden Filme gibt es sogar die gleiche Einstellung vom Taxifahrer, der sich in seinem Wagen umdreht und links auf dem Rücksitz ein kleines Kind entdeckt.

Hier spielt Elmar Wepper den grantigen und wohl auch ein wenig fremdenfeindlichen Taxifahrer Helmut, der sich plötzlich um ein kleines türkisches Mädchen kümmern muss. Doch dies ist kein weiterer Film über die Problematik der Türken in Deutschland. Zübert hat ihn vor allem deshalb in diesem Milieu angesiedelt, weil es ihm vertraut ist. Seine Frau ist Türkin und hat am Drehbuch mitgearbeitet und deshalb wirken die Drehorte und Details so authentisch. Genau wie der Ton, in dem die Menschen hier miteinander reden. Seien es die Taxifahrer beim Schafkopfspielen in ihrer Kantine oder die Oma, die ihrer Enkelin das Beten beibringt (das dem Kind aus dem modernen Istanbul fast so fremd ist wie all die Deutschen um sie herum).

Vor allem ist dies aber eine Charakterstudie mit dem wunderbar spielenden Elmar Wepper, der schon in Doris Dörries „Kirschblüten – Hanami“ gezeigt hat, dass er zumindest im Alter ein besserer Schauspieler als sein jüngerer Bruder Fritz „Harry“ Wepper ist. Er buhlt als Schauspieler nie um die Sympathie der Zuschauer und im ersten Akt des Films ist er ein ausgemachter Kotzbrocken, der seine Frau aus dem Haus vertrieben hat, seine Tochter kaum wahrnimmt und ständig auf Gott und die Welt schimpft. Und er wird auch nicht durch das Findelkind plötzlich zu einem Gutmenschen, sondern kümmert sich eher widerwillig um Hayat und versucht, sie bei der Polizei oder anderen Türken loszuwerden. Doch das Kind ist genauso stur wie er und die kleine Mercan Türkoglu ist dem gewieften Schauspieler-Profi in jeder Szene ebenbürtig. Die sich langsam entwickelnde Freundschaft zwingt Hartmut auch dazu, eine Bilanz seines bisherigen Lebens zu führen. Seine Tochter hat ja recht, wenn sie fragt, warum er sich um dieses fremde Kind mehr kümmert als um seine eigene Familie.

All das ist stimmig und mit einer immer spürbaren Liebe des Filmemachers zu seinen Figuren inszeniert. Die einzige Schwäche des Films ist das Drehbuch, denn vieles wird ein wenig zu vorhersehbar erzählt. So hätte Hartmut nicht an jeder zweiten Straßenecke beinahe jemanden anfahren müssen, sodass man schon fast ungeduldig auf seinen großen Unfall wartet. Aber diese Schwächen verzeiht man dem Film gerne – schon wegen der gut ausgesuchten und ausgestatteten Drehorte (endlich einmal nicht das ewige München, sondern Nürnberg) und dem warmherzigen Grundton von „Dreiviertelmond“.