HALLOWEEN
: Vermummte Räuber

Berlin hat einen neuen Krisenherd: verkleidete Kinder

Nur weil man grün hinter den Ohren ist, ist man noch lange nicht der unglaubliche Hulk. Das hatte ich als junger Mensch im Kreuzberg der 80er Jahre relativ früh gelernt. Doch nachdem es in jüngster Zeit vermehrt zu bandenmäßigen Übergriffen von Kleinkindern kam, geht in der Stadt die Angst um. Berlin hat einen neuen Krisenherd: verkleidete Kinder.

Das Geschrei war groß, als unter anderem ein paar 12-Jährige zu Halloween einigen Neun- bis Elfjährigen die Süßigkeiten geklaut hatten. Sie hatten sich die Bonbons nicht etwa durch eine ausgeklügelte Debattiertaktik oder besondere Überredungskünste besorgt. Aber als sei es nicht schon schlimm genug, dass sie klauten, hatten sie auch noch mit roher Gewalt gedroht. Ein Junge soll einen anderen sogar kurzzeitig gewürgt haben.

Die Polizei veröffentlichte eine ganzseitige Meldung in dieser Angelegenheit, die Boulevardpresse war empört, und in den Debattierforen im Internet kochte die Volksseele. Den kleinen Rackern wurde besonders übel genommen, dass sie die Zeit der erlaubten Vermummung schamlos ausgenutzt hätten. Ich fühlte mich ein wenig an eine Demonstration von studierenden Aushilfsweihnachtsmännern erinnert. Damals wollte die Polizei diese nicht loslaufen lassen, da ein Großteil der Teilnehmer vermummt erschienen war.

Als ich im besten Süßigkeitenalter war, gab es zwar noch kein Halloween, aber Bonbons und größere Jungs gab es trotzdem. Und auch damals kam es vor, dass einem von den Großen das Zuckerzeug oder der Fußballplatz streitig gemacht wurde. Eine Möglichkeit war es, den Bruder zu Hilfe zu holen. Man konnte sich auch zusammenschließen und in einer großen Gruppe gegen die vermeintlich Stärkeren vorgehen oder ganz einfach im Supermarkt neue Bonbons stehlen. Nur eines wäre uns nie in den Sinn gekommen: die Polizei zu rufen! JURI STERNBURG