Hamburgs weinende Madonna

PROTEST Der Verein Jugend gegen Aids hat eine Marienstatue aufgestellt, die sich per Mausklick zum Weinen bringen lässt. Die Aktion richtet sich gegen das Kondom-Verbot der katholischen Kirche

Die Hamburger Madonna hat schon über 3.180 Tränen geweint

3.178 Tränen hat die heilige Jungfrau Maria seit dem vergangenen Montag geweint. Und schon sind es 3.179 Tränen, dann 3.180. Sie kullern die Wange hinunter und tropfen vom Kinn der gut einen Meter großen Statue, die in einem Becken steht. Am Mittwoch reichten der Madonna die verflossenen Tränen schon fast bis zu den Knien.

Die Figur der Gottesmutter steht in der Hamburger Circleculture Gallery und ist an einen Computer angeschlossen. Die Besucher einer Website im Internet können die reale Statue per Mausklick zum Weinen bringen. Die Aktion wurde von dem Verein Jugend gegen Aids ins Leben gerufen und ist gedacht als Protestaktion gegen das Kondom-Verbot der katholischen Kirche.

„Wir wollen mehr als nur eine kurze Aktion am Welt-Aids-Tag machen“, sagt Frederic Rupprecht von Jugend gegen Aids. Zusammen mit dem Künstler Stefan Strumbel stellen die jungen Aktivisten die Statue noch bis Samstag aus. „Für uns steht das päpstliche Kondom-Verbot im Widerspruch zur christlichen Nächstenliebe“, sagt Frederic. Besonders in Afrika können durch Kondome viele Menschen vor einer Infektion mit dem HI-Virus geschützt werden, meint der Student: „Wir wollen Jugendliche dazu bringen, die Haltung der katholischen Kirche zu Hinterfragen.“

Dafür muss man keine Maria weinen lassen, findet Manfred Nielen vom Erzbistum Hamburg. „Aber da haben wir schon Schlimmeres erlebt – Protest gegen die Haltung der Kirche mittels religiöser Symbole gibt es seit Jahrhunderten.“ Als Provokation sieht er die Kunstaktion nicht: „Hier im Norden muss man sich ja auf Einiges gefasst machen.“ In stärker katholisch geprägten Gegenden würde das viele Gläubige sicherlich aufregen, sagt Nielen. Denn das päpstliche Kondom-Tabu sei eindeutig: „Das ist kein Gebot, sondern ein Verbot.“ Zudem habe Sexualität ihren legitimen Ort in der Ehe. „Es ist vereinfacht“, sagt Nielen, „dass es Aids nicht mehr geben würde, wenn der Papst das Kondomverbot aufhebt.“

Das päpstliche Kondomverbot gehe an der Lebenswirklichkeit von Jugendlichen auch in Deutschland vorbei, sagt Daniel Nagel von Jugend gegen Aids. Deshalb verteilen die gut 150 Mitglieder des Vereins, alle zwischen 15 und 20, während der Aktionswoche auch Kondome: 14.000 Stück in 45 Hamburger Schulen, aber auch in Kiel, Husum, Berlin und Tübingen.

„Die Kombination der Ausstellung in Hamburg mit den Mitmach-Funktionen auf Facebook macht es möglich, den Protest überregional zu streuen“, sagt Nagel, der gerade Abitur gemacht hat. Das Klicken auf den „Gefällt mir“-Button, das eine Träne auslöst, und das Schreiben eines Kommentars hinterlässt Spuren im Internet, die andere Surfer nachvollziehen können.

Nagel findet das nicht bedenklich. Es sei gut, dass Menschen auch im Internet mit ihrem richtigen Namen hinter ihrer Meinung stehen, sagt er. „Es gibt auch Statements gegen Kondome auf unserer Facebook-Seite – ist doch cool, dass im Netz gerade eine richtige Diskussion entsteht.“   LEX