PRENZLAUER BERG
: Die Angst der Bonner

Es bleibt ein Kiez der Unangepassten

Das ist …, ja? Ja, tatsächlich, es ist der Regierungssprecher, der da durch Prenzlauer Berg turnt. Seine Stimme ist unverkennbar. Zwei-, dreimal huscht Steffen Seibert sogar kurz durchs Bild. Seine Frisur ist etwas seltsam. So irgendetwas zwischen Achtziger Jahre Popper und Neunziger Technojünger. Aber doch, er ist gut zu erkennen, diese smarte Typ, der uns früher im „heute journal“ die Welt und jetzt in der Bundespressekonferenz die Merkel erklärt. Dann nach zirka acht Minuten sagt Seibert dies: „Prenzlauer Berg will aber auch nicht jedem gefallen. Da mögen sich ein paar Edelcafés eingeschlichen haben. Es bleibt, wie schon vor der Wende, ein Kiez der Unangepassten. Nicht mehr die Bürgerrechtler, eher die betonte Unbürgerlichen, eine Autonomenhochburg, alles, was Bonnern Angst macht, wenn sie an Berlin denken.“ Historische Sätze.

Kein Wunder. Sie stammen aus dem Jahr 1996. Damals drehte Seibert für das ZDF eine Reportage über die Feuerwache an der Oderberger Straße. Von Kiezfans wird das Video gerade bei Facebook verlinkt. Man findet es, wenn man bei YouTube nach „Wache 1300“ sucht. Es zeigt einen Prenzlauer Berg vor der Sanierungswelle. Ein Feuerwehrmann spricht von den vielen Abrisshäusern. Seibert erzählt von der Polizei, die sich im Umfeld der besetzten Häuser nur in Hundertschaften bewege. Er zeigt die bröckelnden Fassaden. Und alte Leute. Jede Menge alte Menschen, die dort wohnen. Der Prenzlauer Berg, ein heißes Pflaster.

All das ist gerade mal 15 Jahre her. Und dennoch wundert man sich beim Betrachten der Bilder, dass die tatsächlich schon in Farbe gedreht wurden. Der Kontrast zum heutigen Stadtteil könnte kaum größer sein. Die Wache an der Oderberger gibt es immer noch. Doch Angst vor Prenzlauer Berg hat kein Bonner mehr. Wieso auch, die leben da ja alle.

GEREON ASMUTH