AM MÜGGELSEE ZWISCHEN SCHWÄNEN, DESSOUS UND EINEM PARALYSIERTEN FROSCH
: Promenadenmischung eines schönen Sonntags

VON RENÉ HAMANN

Es war ein schöner Sonntag. Es ging raus an den Müggelsee, es gab Backfisch im Brötchen und billigen Pumpkaffee, der sofort wieder weggeschüttet werden musste; und der Erhalt des besseren Kaffees oben in dem Promenadenrestaurant ging nicht ohne die übliche Sauerei mit den Kondensmilchdöschen ab.

Wir haben echte Schwäne gesehen, die aussahen wie ferngesteuerte Schwäne aus Plastik; wir haben einen Frosch gesehen, der paralysiert wartete, dass wir aufhörten, ihn anzustarren. Dann schickten wir ihn weiter über den Weg. Am Müggelsee blieb das Wetter lange schön und heiter, und die Leute strahlten eine gewisse Vorortbequemlichkeit aus. Sie schoben sich und ihre Probleme einfach um den See herum und durch den Spreetunnel hindurch: erbaut und versenkt im Jahre 1926. Steht da so.

In Friedrichshagen, das seit 2003 auch wieder ein Denkmal Friedrichs des Großen in seiner Mitte hat, herrscht eine dieser Mischungen, die man so tatsächlich nur in den peripheren Oststadtteilen zu sehen bekommt. Das Preußische vom Anfang des letzten Jahrhunderts hat sich erhalten, und das staubige Ostgrau ist auch noch sichtbar, nachgerade greifbar. Neu dazu ist das Jetztdeutsche getreten, bei dem alles geputzt und saniert aussieht. Einerseits gut, andererseits aber eben hauptsächlich in Richtung Funktion und Geldmacherei getrimmt.

So darf man an einem sonnigen Sonntag in Friedrichshagen nicht über den Boulevard promenieren, ohne eine Eiswaffel in der Hand zu halten. Nebenbei schaut man dann in die Schaufenster geschlossener Läden – vom Dessousgeschäft „BH-Welt“ bis zum Bettenladen; dazwischen gibt es Buchläden, die sonst nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen wie an einem Sonntag, und Puppenshops für kleine Mädchen. An der Haltestelle Ostkreuz herrscht wegen Bauarbeiten das nackte Chaos. Man fragt sich, wie es hier an einem Werktag, besonders bei Regen, zugehen muss. Niemand weiß, wo es langgeht.

Die feinen Unterschiede

Dafür wird fein zwischen Schienenersatzverkehr und Pendelverkehr unterschieden – das Erste geht bevorzugt mit Bussen ab, das Zweite mit Bahnen, die eingleisig unterwegs sind und wo man dann plötzlich umsteigen muss mitten im Nichts, in die nächste Bahn auf dem gegenüberliegenden Gleis. Zum Ausgleich für all das Durcheinander sind wenigstens die Lautsprecher so eingestellt, dass auch der Schwerhörigste und die mit den Hello-Kitty-Kopfhörern alles verstehen müssen und so mancher Noise-Rock-Fan eine Zeit lang nur noch sanftes Geklimper von Debussy vertragen kann.

An der Warschauer Brücke auf dem Weg nach Kreuzberg zeigt sich dann wieder ein anderes, nicht weniger typisches Bild. Menschen aus Göttingen treffen sich unverhofft in der Bahn wieder, weil sie alle eben erst nach Berlin gezogen sind, und sonntags ist ja da dieser Flohmarkt auf dem Boxhagener Platz. Männer im Paul-Weller-Look beschauen sich alte Schallplatten, die sie soeben erworben haben. Es war ein schöner Sonntag. Abends wurde es dann etwas windig und nass; nach einem Zwischenstopp bei Maroush eilten wir dann auch schnell heim. Der „Tatort“ war auch eher mau, dafür war die „Kurt-Krömer-Show“ mit Anke Engelke und Nicolette Krebitz, eine Aufzeichnung aus dem Jahr 2007, die später noch im Programm von RBB lief und die wir beide noch nicht kannten, sehr lustig. Was sonst so los war in der Republik? Keine Ahnung.